Exzellente Unternehmen überlassen es nicht dem Zufall, ob ihre Mitarbeiter top sind oder flop. Sie arbeiten systematisch daran, die besten Mitarbeiter zu finden und zu binden. Davon sind die Unternehmer-Berater Prof. Dr. Jörg Knoblauch und Benjamin Kuttler überzeugt. Gemeinsam haben sie 30 Unternehmen ermittelt, die Vorreiter im Personalmanagement sind – von Global Playern wie Google und McKinsey bis zu Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand. Zu diesen Vorreitern zählt das Autoren-Duo auch die Willow Creek-Gemeinde in Chicago. Sie haben sie in ihr Buch ›Das Geheimnis der Champions‹ aufgenommen. Ein Auszug.

Etwa 400 Mitarbeiter sind in der Willow Creek Community Church auf Voll- und Teilzeitbasis angestellt. Die überwiegende Arbeit der Gemeinde wird aber von vielen Tausend Ehrenamtlichen geleistet. Allein in der sozialdiakonischen Arbeit des ›Care Center‹ sind 2.000 freiwillige Helfer tätig. Der außergewöhnliche Erfolg von Willow Creek hat uns bewogen, die Gemeinde in unserem Buch als Beispiel für eine Non-Profit-Organisation zu nehmen, der es gelingt, die besten Mitarbeiter zu gewinnen und zu entwickeln. Viele Non-Profit-Organisationen haben Berührungsängste mit der Welt der Wirtschaft und mit modernem Management. Bei Willow Creek ist das nicht so.

Was macht die Willow Creek Community Church zu einem Vorbild für andere Non-Profit-Organisationen? ­Da ist zunächst einmal eine klare Zielsetzung. Willow Creek möchte nicht über Chicago hinaus wachsen, sondern bestehenden christlichen Gemeinden dabei helfen erfolgreich zu sein. Das ist bemerkenswert. Viele Glaubensgemeinschaften und generell ›NGOs‹ haben einen ziemlichen Geltungsdrang und oft ehrgeizige Expansionspläne. Motto: Je öfter es uns auf der Welt gibt, desto besser für die Menschheit. Der leitende Pastor Bill Hybels möchte nirgendwo mit existierenden christlichen Gemeinden in Konkurrenz treten. Im Gegenteil, die Willow-Creek-Organisation will die bestehenden Ortsgemeinden stärken und ihnen nützliches Handwerkszeug liefern.

Dabei geht es, neben der Vermittlung biblischer Inhalte, auch um gutes Management. Insbesondere um gutes Personalmanagement. Bei den Leitungskongressen von Willow Creek haben sich in den vergangenen Jahren die Business-Gurus und Konzern-Chefs dieser Welt als Gastredner die Klinke in die Hand gegeben. Patrick Lencioni, ein Vordenker des Team-Managements, stand ebenso auf der Rednerliste wie der Managementexperte Jim Collins, Autor des Bestsellers ›Der Weg zu den Besten‹.

Bill Hybels und seine Mitstreiter sind davon überzeugt, dass Non-Profit-Organisationen genauso professionell gemanagt werden müssen wie Wirtschaftsunternehmen. Seiner Meinung nach geht es darum, die besten Mitarbeiter zu gewinnen, zu entwickeln und zu halten. Bei Willow Creek hat man deshalb keine Schwierigkeiten mit dem Leistungsprinzip. Sie fragen sich, was daran das Besondere sein soll? Dann vermuten wir, dass Sie bisher noch nicht oft mit Non-Profit-Organisationen zu tun hatten.

Mitarbeiter-Beurteilung bei Non-Profit-Organisation

Bei Willow Creek hat man erkannt, was anderswo gerne verdrängt wird: Eine Kirche oder Non-Profit-Organisation kämpft mit genau denselben Problemen wie jedes gewinn­orientierte Wirtschaftsunternehmen. Fällt schon diese Einsicht vielen Wohltätigkeitsorganisationen schwer, so dürfte die Konsequenz, die man bei der Mega-Church gezogen hat, bei einigen im Non-Profit-Bereich noch unpopulärer sein: Sie lautet Mitarbeiterbeurteilung. In vielen Non-Profit-Organisationen läuft es oft anders. Die Verantwortlichen sagen sich: »Unsere Mitarbeiter engagieren sich und tun Gutes. Wir können doch nicht anfangen, ihre Leistungen zu bewerten wie in der Wirtschaft. Das wäre undankbar.« Genau das halten wir für einen schweren Fehler. Idealismus genügt nicht. Auch nicht bei Non-Profit-Organisationen.

Idealismus genügt nicht. Auch nicht bei Non-Profit-Organisationen.

Nicht allein die Wirtschaft braucht Mitarbeiterbeurteilung – die NGOs brauchen das erst recht! Warum? Weil es hier nicht um Gewinne, sondern direkt um den Menschen geht. Je wichtiger die Mission einer Organisation ist, desto wichtiger ist es, dafür die besten Mitarbeiter zu haben. Nehmen Sie allein das Thema Spenden. Alle christlichen Kirchen und die meisten Non-Profit-Organisationen sammeln Spenden ein. Wollen Sie, dass Ihre Spende von C-Mitarbeitern sinnlos verschleudert wird? Zum Beispiel für ebenso sinnlose wie luxuriöse Dienstreisen, die eigentlich verkappte Urlaube sind? Oder wollen Sie, dass die Spenden den Menschen zugutekommen, für die sie gedacht sind? Wenn Sie letzterem zustimmen, dann brauchen Sie auch Mitarbeiterbewertung.

Mit der ABC-Strategie in sicheres Fahrwasser

In vielen Gemeinden wissen die Mitarbeiter häufig nicht, was von ihnen genau erwartet wird. Wenn es schließlich (bei Angestellten) zu einer Kündigung kommt, sind sie oftmals völlig überrascht. Bill Hybels hat diese Problematik in vielen Gemeinden weltweit beobachtet. Er schreibt in seinem Buch ›Die Kunst des Führens‹: »Nachdem auch ich bei uns viel zu lange mit einem schwammigen Personalbewertungssystem gelebt hatte, entschloss ich mich schließlich zu einer drastischen Maßnahme. Das Ergebnis: halbjährliche Mitarbeiterbewertungsgespräche.« Der Spross einer Unternehmerfamilie machte also ernst mit professionellem Personalmanagement.

Bill Hybels beschreibt die Gespräche selbst so: »Sie dauern pro Person mindestens eine Stunde. Sie decken ein halbes Dutzend wichtige Gesprächspunkte ab, und sie enden damit, dass alle fest angestellten Mitarbeiter eine Beurteilung in Form eines Buchstabens bekommen, damit sie genau wissen, wo sie stehen. Ein A, ein B oder ein C. Man kann seine Vorbehalte gegen diese Vorgehensweise haben, aber man kann nicht den Vorwurf erheben, sie sei nicht klar. ›A‹ bedeutet hervorragend – jemand übertrifft die Erwartungen; ›B‹ bedeutet gut; ›C‹ bedeutet, dass sich bald Verbesserungen zeigen müssen.« Als Bill Hybels dieses Konzept einführte, stieß es bei seinen Mitarbeitern zunächst auf wenig Gegenliebe.

Der Management- und Personalexperte Patrick Lencioni behauptet, dass viele Organisationen mit »tödlicher Nettigkeit« infiziert seien. Dies führe dazu, dass man einander nicht länger die Wahrheit sagen könne. Nach unserer Erfahrung ist das bei Non-Profit-Organisationen noch ausgeprägter als in der Wirtschaft. Die Verschleierung von unangenehmen Tatsachen hilft aber niemandem weiter. Am Ende sind die Enttäuschungen nur noch größer. Bill Hybels war klargeworden: Ohne ein System, das Leistungen aussagekräftig und aufrichtig bewertet, würde unterdurchschnittliche Arbeitsleistung toleriert werden. Gemeinden könnten so nie ihr volles Potenzial ausschöpfen.

Wichtig war ihm jedoch jetzt auch, dass A-Mitarbeiter zusätzliche Ressourcen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten erhalten sollten, ohne darum bitten zu müssen. Solche Mitarbeiter sollten wider die ›tödliche Nettigkeit‹ wissen, wie wertvoll sie für die Gemeinde sind. Mit C-Mitarbeitern musste dagegen etwas geschehen. Bill Hybels ist der Meinung, dass auch jeder Mitarbeiter einer Non-Profit-Organisation wissen möchte, wo er steht. Er sagt: »Unser ABC-Ansatz ist bei weitem nicht perfekt. Aber eines muss man ihm lassen: Er spricht eine klare Sprache.«

Was Experten zum Management im Non-Profit-Bereich sagen

Jack Welch, der legendäre CEO von ›General Electric‹, gilt als Begründer jener ABC-Strategie, die Willow Creek als eine von ganz wenigen Non-Profit-Organisationen praktiziert. Der Ex-CEO von ›General Electric‹ war mehrfach Gastredner auf den großen Leadership Summits von Willow Creek in Chicago. Obwohl sich der Manager nie für christliche Themen interessiert hat, freundete er sich mit Bill Hybels an. Jack Welch und Bill Hybels sind sich einig: Auch in Non-Profit-Organisationen muss man sich mit den Mitarbeitenden auf Ziele einigen. Gerade in Non-Profit-Organisationen sind die meisten Mitarbeiter einsichtig, sobald man ihnen die Sachlage erklärt.

Auch der Management-Vordenker Peter Drucker (1909–2005) äußerte sich einmal zu diesem Thema. Er sagte: »Wenn es um bezahlte Mitarbeiter und durchaus auch kirchliche Mitarbeiter geht, dann ist Leistung, die unter dem gewünschten und vereinbarten Maß zurückbleibt, nicht akzep­tabel.« Eines ist jedoch auch klar: Wo Ehrenamtliche auf festangestellte Mitarbeiter treffen, die in der Kirche ihren Lebensunterhalt verdienen, wird es nie ganz ohne Konflikte abgehen.