Ausdrucksstarke und inhaltsreiche Ein-Mann-Spielszenen brachte der Künstler Nick Benoit beim Kongress in Hannover auf die Bühne. Etwa als er beide Arme tief in ölige Flüssigkeit tauchte und verdeutlichte, wie schnell Sünde sich im Leben breit macht. Richtig rein wird ein Mensch nur, wenn der Vater die Reinigung zu seiner Sache macht.Benoit steht für eine neue Generation von Künstlern, die die Gottes­dienste der Willow Creek Gemeinde seit geraumer Zeit prägen. Es sind nicht mehr Theaterstücke, durch die geistliche Fragen aufgeworfen werden, sondern persönliche Geschichten, kreativ aufbereitet, durch die biblische Inhalte transportiert werden; häufig unterstützt durch raffinierte Video- und Lichtprojektionen oder anschauliche Gegenstände. Gotthard Westhoff sprach mit Benoit über die Kraft guter Geschichten.

 

Nick, wann hast du zum ersten Mal gespürt, dass du eine kreative Ader hast?

Mit neun Jahren habe ich zum ersten Mal an einer Theater-Aufführung in der Schule teilgenommen. Anschließend hörte ich, wie ein Lehrer zu meinen Eltern sagte, dass ich in dem Stück sehr gut gespielt hätte. Das war ein Schlüsselerlebnis für mich. Dieser Moment hat den Kurs meines Lebens festgelegt. Wenn eine Begabung auf nur einen Funken an Ermutigung trifft, ist das, als würde man ein Streichholz an ein Pulverfass legen. Man hat in dem Moment keine Vorstellung, was für eine Explosion daraus entstehen kann.

 

Hattest du als Künstler bestimmte Vorbilder, die dich besonders geprägt haben?

Nie. Natürlich hatte ich während meiner Schauspiel­ausbildung Dozenten und Mentoren, die mir eine Menge beigebracht haben. Aber sie haben mich stets ermutigt, meine eigene Stimme zu finden, statt die Botschaft oder das Stilmittel eines anderen zu imitieren. Ich bin überzeugt, dass Gott jedem Menschen eine unverwechselbare Art gegeben hat, durch die er oder sie das ausdrücken kann, was es auszudrücken gilt. Da möchte ich doch keine Blaupause eines anderen sein.

 

Wie kommst du auf die Geschichten, die du auf der Bühne so eindrücklich erzählst oder darstellst?

Die meisten entspringen meinem eigenen Leben. Ich führe ein Tagebuch, in das ich täglich wenigstens 300 Worte schreibe. Diese Disziplin habe ich mir auferlegt. Meistens fühlt sich das Schreiben redundant an, weil ich einfach nur notiere, was ich an dem Tag erlebt habe. Aber immer wieder führt Gott mich zu den Sätzen zurück, die ich oft mühsam aufgeschrieben habe, und er zeigt mir das Samenkorn darin, aus dem dann eine Geschichte entsteht.

 

Du produzierst recht viele Stücke – man könnte meinen, du führst ein sehr bewegtes Leben.

Das wird dich vielleicht wundern, aber die meisten Stücke entstammen nicht den herausragenden Anlässen meines Lebens, sondern den unscheinbaren, oft auch schmerzhaften Momenten, die ich sicher vergessen hätte, hätte ich sie nicht niedergeschrieben. Wenn ich zu diesen Momenten in meinem Tagebuch zurückkehre, schenkt Gott mir manchmal den Blick für die tiefen Wahrheiten, die darin verborgen sind. Es ist schon komisch, dass Gott mich durch die Worte ermutigt, die ich selbst zuvor geschrieben habe.

 

Viele deiner Texte sind sehr persönlich. Fällt es dir leicht, tausenden von Menschen einen so tiefen Einblick in dein Leben zu geben?

(lacht) Meine Frau würde wahrscheinlich sagen, dass ich auf der Bühne viel leichter Einblick in mein Inneres gebe, als ich das in Beziehungen tue. Wahrscheinlich hat sie sogar recht. Ich bin eigentlich ein recht zurückhaltender Mensch. Das meiste, was ich auf der Bühne preisgebe, tue ich aus Gehorsam. Es ist eine Art Deal, den ich mit Gott gemacht habe: Er gibt mir die Gelegenheit, die Dinge zu tun, die ich von Herzen gern tue – dafür erzähle ich die Dinge, von denen ich weiß, dass er möchte, dass sie erzählt werden. Auch wenn die meisten Geschichten, die ich auf der Bühne erzähle, mit tiefen persönlichen Gefühlen verknüpft sind. Wenn ich es recht überlege, gehören eigentlich alle unsere Erfahrungen und Geschichten nicht nur uns selbst – sie sind auch zur Ermutigung anderer gedacht und letztlich zur Ehre Gottes.

 

Meist werden deine Stücke durch Videoprojektionen oder technische Raffinessen unterstützt. Entwickelst du die Inszenierungen schon beim Schreiben?

Nein, das entwickle ich mit einem großartigen Team. Wenn ich denen meinen Textentwurf vorlege, bin ich vom Schreiben völlig erschöpft und besitze keinen Funken Kreativität mehr. Sie sorgen dann für den zweiten Wind. Vom Team möchte ich ganz genau wissen, was mein Text mit ihnen macht, welche Bilder und Farben er bei ihnen auslöst. Anschließend durch­forsten wir alle möglichen Quellen zum jeweiligen Thema, um Anregungen für die Inszenierung zu bekommen. Am meisten gefällt mir, wenn wir in den Quellen nichts Passendes finden, weil sich offenbar niemand bisher Gedanken darüber gemacht hat. Klar: Irgendwo hat sicher jemand einen Beitrag gegeben – aber eben nicht mit dem genau passenden Bild, Sound oder Video.

 

In Hannover lief bei einem deiner Stücke parallel die Videoprojektion deines Schattens hinter dir auf einer Großbildleinwand. Der Einsatz aufwändiger Technik und das nötige Timing in deinem Spiel schaffen neue Dimensionen in einem Stück – es kann aber auch mehr schief gehen.

Um diese Fehlerquellen zu minimieren, sind die Proben da, die wir sehr ernst nehmen. Dennoch: Sekunden, bevor auf der Bühne die Scheinwerfer angehen, denke ich oft: »Wenn ich jetzt über den ersten Satz stolpere, fällt das ganze Stück in sich zusammen.« Aber bevor ich die Zeit habe, über diese Horrorvorstellung nachzudenken, hat das Stück bereits begonnen. Furcht zwingt dazu, sich zu fokussieren. Sie hat also auch etwas Gutes.

 

Wie weißt du, ob eine Geschichte reif ist für eine Aufführung?

Bei Willow haben wir eine Kultur der völligen Offenheit entwickelt. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass meine Mitstreiter mich lieben, für mich sind und mir aus tiefstem Herzen Erfolg mit einem Stück wünschen. Ich bezweifle auch nie, dass sie mir die volle Wahrheit sagen, ob ein Stück die Qualität besitzt, aufgeführt zu werden. Sie prüfen alles, was ich schreibe, sehr genau, schlagen auch Änderungen vor. Erst wenn ein Manuskript unser Team berührt hat, gehen wir zur Inszenierung über.

 

Woran machst du fest, ob ein Stück ein „Erfolg" war?

Unterm Strich wollen wir mit den Stücken Menschen bewegen: entweder emotional oder zu einer bestimmten Entscheidung oder zu einer Begegnung mit Gott. Ob wir Menschen tatsächlich bewegt haben, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Diese Diskussion ist bei uns nie beendet – wir versuchen aber möglichst genau herauszufinden, ob das passiert ist, was wir erreichen wollten.

Manchmal kommt es allerdings vor, dass Gott mich buchstäblich spüren lässt, wenn sich die ›Stimmung‹ im Saal ändert: von einem bequemen Zurücklehnen hin zu einem tiefen Berührt-werden von Gott. Das sind kleine Gnadengaben, die Gott mir manchmal schenkt. Darum geht es ja letztendlich bei diesen kreativen Elementen im Gottesdienst: Menschen sollen Gott begegnen und sich selbst in seinem Licht sehen.

 

Wie hast du deine Aufführungen beim Kongress in Hannover erlebt: Haben die Menschen anders reagiert als in Chicago?

Das war tatsächlich eine meiner größten Sorgen: Ich war zum ersten Mal in Deutschland und mit der Kultur nicht vertraut. Ich habe mich gefragt: Wie werden die Deutschen reagieren? Wird das mit den deutschen Untertiteln funktionieren? Aber schon nach den ersten Sätzen hat das Publikum gelacht – an der gleichen Stelle, an der auch die Leute in Chicago gelacht haben. Für mich war das ein ganz bedeutender Moment. Ich habe mich plötzlich so zu Hause gefühlt, wie ich es selten erlebe, wenn ich unterwegs bin.

 

Jedes Mal, wenn ich eine Aufführung von dir erlebe, spüre ich eine enorme Dringlichkeit in deiner Präsentation. Steckt tief in dir vielleicht ein Prediger?

Prediger und Künstler haben ja eigentlich das gleiche Ziel: Sie wollen in die Seele eines Menschen sprechen. Früher habe ich Prediger und Pastoren nicht sehr positiv betrachtet. Bei meiner Berufung hat Gott mir dann deutlich gemacht, dass sie nur zur Hälfte die zu einem Künstler ist – die andere Hälfte ist die eines ›Seelen-Formers‹, eines Pastors sozusagen. Als ich das bewusst angenommen habe, wurde mein künstlerisches Schaffen besser und meine Leidenschaft intensiver. Manchmal kommen heute Leute nach einer Aufführung auf mich zu und fragen: Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal zu predigen? Meine Antwort lautet dann immer: Das habe ich doch gerade getan!