Ein wichtiges Anliegen von Willow Creek ist es, sich um benachteiligte Gruppen zu kümmern, die besondere Bedürfnisse haben und oft nicht angenommen oder genügend unterstützt werden in der Gesellschaft. Eine wichtige Gemeinschaft sind die Hispanoamerikaner, also Mitbürger mit spanischem Hintergrund, von denen die Mehrheit aus Lateinamerika, besonders aus Mexiko, stammt. Für diese Menschen hat Willow Creek seit vielen Jahren einen spanischen Gottesdienst namens Casa de Luz (Haus des Lichts) aufgebaut. Aber auch Arbeitslosen, Drogenabhängigen oder in einer anderen Art Betroffenen möchte Willow Creek eine Anlaufstelle bieten. Hierfür wurde das Care Center, das den sozialdiakonischen Dienst von Willow Creek beinhaltet, aufgebaut. Wir haben zwei Schlüsselfiguren dieser Einrichtungen getroffen.

Eine Kultur in der Kultur

Wir möchten Gemein­­schaft fördern und das geht nur über Akzeptanz und Nächsten­liebe.

Im Jahr 2015 ist die Anzahl an Hispoamerikanern in den USA auf 57 Millionen gestiegen – sie stellen also einen beachtlichen Anteil der Bevölkerung dar, auch in Chicago und auch in der Willow Creek-Gemeinde. Als unsere Reiseteilnehmer zu einem Vortrag bei Javier Michel, Teil des Leitungsteams bei Casa de Luz, gingen, begann er mit einem gemeinsamen Lobpreis. Sie sangen Lieder auf Spanisch und Englisch, jeder so gut wie er konnte, ohne sich von Sprachbarrieren hindern zu lassen. Die darauffolgende Einleitung machte bereits deutlich, wie viel Leidenschaft Javier seiner Arbeit widmet: „Wir möchten Gemeinschaft fördern und das geht nur über Akzeptanz und Nächstenliebe.“ Als das Care Center erschaffen wurde, merkte die Gemeinde, dass viele der Bedürftigen einen hispoamerikanischen Hintergrund haben und kaum Unterstützung im Alltag erfahren. Javier wusste sofort, wovon seine Mitbürger reden: „Meine Eltern sind als illegale Einwanderer von Mexiko in die USA gekommen, ich bin also auch ein illegaler Einwanderer gewesen. Heute kann ich fünf Sprachen sprechen, habe die amerikanische Staatsbürgerschaft, genau wie auch meine Familie, und trotzdem schauen mich immer noch Menschen an und fragen: ‚Was machst du in meinem Land?’

Hispanic-Gottesdienst »Casa de Luz«
Hispanic-Gottesdienst »Casa de Luz«

Auch bei Willow Creek gäbe es einige, die sich niemals dafür aussprechen würden, dass es so viele Hispoamerikaner in der Gemeinde gibt und erst recht nicht, dass sie einen eigenen Gottesdienst haben: „Die Leitung steht hinter uns, aber nicht jeder findet das gut. Das ist ähnlich wie bei der Trump-Frage: Hier wird niemand zu einer Ansicht gezwungen und muss nicht alles gut finden. Trotzdem sind wir natürlich sehr dankbar, dass uns Bill Hybels bei Casa de Luz so unterstützt und den Aufbau davon überhaupt ermöglicht hat.“ 

Eine weitere Herausforderung sei die Vielfältigkeit innerhalb der Gruppe, denn chilenische Einwanderer haben ganz andere Bedürfnisse als mexikanische und Casa de Luz möchte allen Bedürfnissen umfassend nachkommen. Auch zwischen den Generationen zeichnen sich Unterschiede ab: „Die meisten Eltern sprechen viel Spanisch und ein wenig Englisch und ihre Kinder sprechen viel Englisch und ein wenig Spanisch“, so Javier. Es ginge also darum, die älteren Generationen nicht aus dem Blick zu verlieren und gleichzeitig den jüngeren eine Plattform zu bieten, sich mit ihren Wurzeln auseinander zu setzen. Das letztendlich größte Problem sei aber der Status illegaler Einwanderer: „Kinder können nicht in die Ferien fliegen, weil sie nicht aus dem Land rauskommen. Sie dürfen nicht Auto fahren, weil sie keinen Führerschein machen können und einen Job dürften sie theoretisch auch nicht annehmen. Wenn die kleine Tochter dann abends zu ihrer Mutter sagt: ‚Wo ist Papa denn schon wieder?’ und die Mutter ihr erklären muss, dass Daddy wieder einmal im Gefängnis sitzt, nur weil er von der Arbeit nach Hause fahren wollte, versteht man, dass dieses Thema große Spannungen in den Familien erzeugt.

Juan Guillen, leitender Pastor von Casa de Luz
Juan Guillen, leitender Pastor von Casa de Luz

Bei Willow Creek versucht ein großes Team, den Hispoamerikanern im Alltag zu helfen, besser an ihre Herausforderungen herantreten zu können und der Gottesdienst schenkt ihnen einen Ort, an dem sie frei von Vorurteilen ihren Glauben öffnen können. Der leitende Pastor von Casa de Luz, Juan Guillen, betont, dass es nicht um Abschottung geht, sondern um das genaue Gegenteil: „Wir veranstalten den Gottesdienst bewusst parallel zu den Willow Creek Jugendgottesdiensten, sodass Kinder und Jugendliche zu Student Impact oder Elevate oder Promiseland gehen können. Wir zeigen regelmäßig Videos von den Jugendangeboten, um neue Familie auf das breite Angebot aufmerksam zu machen. Wir vermitteln Sprachkurse und helfen, noch nicht gut integrierte Hispoamerikaner besser in die Gesellschaft zu begleiten. Es geht also nicht darum, sie aus der Gesellschaft oder der restlichen Gemeinde herauszuhalten, sondern ihnen den Weg dorthin zu ebnen.“ Casa de Luz ist dabei für viele ein geschützter Raum, an dem sie ankommen, durchatmen und Gott preisen können – so wie sie sind, mit ihren Wurzeln und ihrer Vergangenheit, ganz gleich, wie sie auch aussehen mag.

Die Power einer Single-Frau

Deine Kirche sollte der erste Ort sein, an dem du Hilfe bekommst.

Kyndra Singer ist vor allem eins: authentisch. Sie baute das Care Center auf und ist bei der Willow Creek Association festangestellt. Ihre Geschichte verheimlicht sie nicht, im Gegenteil, sie steht zu ihrem Weg und liebt es, Zuhörern dadurch Mut zuzusprechen: „Ich bin geschieden und seit über 20 Jahren alleinstehend. Mein Ehemann war verschiedenen Abhängigkeiten verfallen und hat mich verbal missbraucht. Als wir gemeinsam hier in der Willow Creek-Gemeinde ankamen, entschied er sich kurze Zeit später dafür, keine Ehe mehr führen zu wollen.“ Von da an begann eine schwere Zeit, durch die Kyndra rückblickend aber umso stärker wieder hervortrat. Sie verstand die Bedürfnisse von alleinstehenden Frauen, von alleinerziehenden Müttern und entwickelte durch ihre eigene Genesung eine tiefe Empathie für andere bedürftige Menschen, die mit schweren Zeiten zu kämpfen hatten.

Kyndra Singer, Gründerin des Care Centers
Kyndra Singer, Gründerin des Care Centers

„Heute stehe ich hier und weiß, dass Gott mich genau zu diesem Dienst berufen hat – so wie ich bin, mit meiner Geschichte und ich bin sehr dankbar, dass ich eine Gemeinde hinter mir weiß, in der das möglich ist.“ Wenn man Kyndras stärkste Berufung mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es Nächstenliebe. Sie motiviert ihre Zuhörer dazu, wirklich hinzusehen, wenn jemand leidet und sich immer wieder selbst zu hinterfragen, ob man sich auch um andere kümmert. Genauso sollte man sich fragen, ob man selbst Hilfe braucht und wo man Zugang zu der richtigen Unterstützung erhält. Ein großes Anliegen ihrer Arbeit ist es dabei, auch die Gemeinde immer mehr zu einem Ort dieser Betreuung werden zu lassen: „Deine Kirche sollte doch der erste Ort sein, an dem du Hilfe bekommst – wir wollen Menschen in schweren Zeiten beistehen und ihnen den Weg zu dem einen großen Heiler, Gott, zeigen.“ Das Care Center macht das auch ganz praktisch: mit Essensausgaben, Lebensmittelversorgung, medizinische Angebote oder Autos, die Gemeindeleute spenden, wenn sie z.B. ein neues Auto kaufen und das alte abgeben. 

Nachdem Kyndra ihren Vortrag beendet hat, blieb bei den Reiseteilnehmern vor allem ein Eindruck: „Sie ist durch und durch authentisch und ihre Lebensfreude ist ansteckend.“ Das stimmt – trotz vieler Hürden und Vorurteilen hat sich Knydra ihr Selbstbewusstsein und ihren Humor nicht nehmen lassen. Ihre Kraft ruhe in Gott und allein die Gewissheit, dass sie das, was sie tut, für ihn tut, ist schon genug Grund, glücklich und dankbar das Leben anzunehmen.

Hier werden Fußspuren hinterlassen

Impulse wie die von Kyndra bringen auch unsere Reisegruppe immer wieder zum Nachdenken. Conny aus Gladenbach ist zwar nicht zum ersten Mal dabei und kennt Willow Creek bereits ganz gut, doch sie ist auch dieses Mal wieder völlig überwältigt: „Am spannendsten sind immer dieser Aha-Erlebnisse, in denen man sich selbst ertappt und fragen muss: Wie mache und sehe ich das eigentlich?“

Studienreise-Teilnehmer Conny und Simone
Studienreise-Teilnehmer Conny und Simone

Eine Botschaft nehme sie jetzt auf jeden Fall schon mit nach Deutschland zurück: „Jeder Mitarbeiter trägt hier ein Schild und auf dem steht „Here to serve“ (Hier, um zu dienen) und das finde ich einfach so klasse. Das steht nicht nur so auf dem Schild drauf, sondern das wird wirklich gelebt."

Ihre Schwester Simone kann da nur zustimmen: „Mich überzeugt die Einstellung der Leute. Natürlich ist das alles hoch professionell, aber Konzepte zu erstellen oder sich eine Organisation zu überlegen ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist die Leidenschaft, mit der jeder hier seine Arbeit, seinen Dienst, ausübt.“

Welche Botschaften die beiden und alle anderen Reiseteilnehmer wohl noch entdecken und aufnehmen werden? Wir bleiben gespannt – und ihr bleibt dran: auf unserem Blog, Facebook, Instagram und Twitter. Wir freuen uns, wenn ihr unsere Beiträge mit einem „Gefällt mir“-Klick belohnt und auch auf euren eigenen Social Media Seiten teilt – richtig klasse wäre es, wenn ihr dafür immer den Hashtag #gls17 verwendet – dann sehen es noch mehr Menschen und wir können alle gemeinsam unsere Erlebnisse austauschen. 

REISEBLOG

Weitere Berichte, High­lights und Eindrücke der Willow Creek Studien­reise 2017 finden Sie hier.

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