Vor einigen Jahren bekam ich von einem guten Freund aus der Verlagsbranche ein Manuskript zugeschickt, verbunden mit der Bitte um eine Einschätzung, ob dieses Buch wohl im deutschsprachigen Bereich zünden würde. Der Name des Autors – John Mark Comer – sagte mir damals nichts, wohl aber der Titel: The ruthlessly elemination of hurry (Die schonungslose Vermeidung der Hetze). Dies war eine Phrase, die ich bei meinen Lehrern Dallas Willard und John Ortberg häufiger gelesen und gehört hatte. Dahinter stand die Idee, dass die Hetze die größte Bedrohung unseres geistlichen Lebens ist. Und dass wir dieser Hetze den Kampf ansagen müssen, wenn wir geistlich wachsen wollen. Ich teile diese geistliche Einsicht sehr und unterstütze diese Gedanken. Dennoch war meine Motivation, das Manuskript zu lesen, eher gering, denn ich erwartete, nicht viel Neues darin zu finden. „Noch einer, der das Thema aufgreift und mit seinen Worten das Gleiche beschreibt …“, dachte ich.   

Das Manuskript ließ sich flüssig lesen, vieles wirkte frisch und auf den Punkt gebracht – und es atmete sehr die Herausforderungen der hektische Lebenswelt eines Mitdreißigers. Comer schrieb entwaffnend ehrlich über seine Probleme, gab Einblick in seine eigene Reise und bot einen praktischen Weg an, der ewigen Hetze des Lebens etwas entgegenzusetzen. Ein gutes, ansprechendes Buch … – aber da es in meinen Augen nicht wirklich Neues brachte, lautete mein Feedback an den Verlag damals: „Würde ich eher nicht bringen!“  

Der Verlag brachte es trotzdem – zum Glück, muss man heute sagen! Denn es wurde innerhalb kürzester Zeit ein absoluter Bestseller (deutscher Titel: „Das Ende der Rastlosigkeit“). Ich hätte mit meiner Einschätzung nicht weiter danebenliegen können. Das Buch traf einen Nerv. Insbesondere die Generation der 30- bis 40-Jährigen fühlten sich in ihrer hektischen und post-christlichen Lebenswirklichkeit verstanden und ernst genommen. Viele begannen, die Impulse des Buches für sich persönlich umzusetzen. Im Laufe weniger Jahre entwickelte sich John Mark Comer zu einem der wichtigsten Impulsgeber im Bereich von Jüngerschaft und geistlichem Leben – nicht nur in den USA, sondern auch in zunehmendem Maße in Deutschland. 

Comer arbeitete ca. 2 Jahrzehnte in der von ihm gegründeten Bridgetown Gemeinde in Portland, Oregon. Sein Fokus lag auf der Frage, wie in einer postchristlichen Welt Nachfolge Jesu konkret aussehen und gelingen kann. Sein Team organisierte alles in der Gemeinde um eine simple Idee herum: Gemeinsam den Weg Jesu einüben. Nach einer fünfjährigen Jüngerschafts-Kampagne mit dem Titel Practicing the way gründete Comer dann 2021 die gleichnamige Organisation (www.practicingtheway.org), die nun Material für Gemeinden herstellt, die die Nachfolge Jesu wieder ins Zentrum der Gemeindearbeit stellen wollen.   

Die Videos, Kurse, Podcasts und Bücher bestechen durch ihre ansprechende Ästhetik, ihre Ehrlichkeit und die spürbar ernsthafte Suche danach, in einer modernen Welt den Weg Jesu in Gemeinschaft einzuüben. Im Zentrum steht die Einsicht, dass wir den Weg Jesu nur gehen können, wenn wir auch die Dinge einüben, die Jesus regelmäßig getan, also „geübt“ hat. Jesus hat jenseits seines öffentlichen Wirkens ein verborgenes Leben geführt. Er ging regelmäßig in die Stille, suchte die Einsamkeit, er führte ein einfaches Leben, war immer bereit zu dienen, usw. 

Insgesamt neun biblische Übungen (practices) haben Comer und sein Team identifiziert und dazu Material erstellt, um Menschen in diesen Übungen zu unterstützen. Es geht dabei um Sabbat, Gebet, Fasten, Einsamkeit und Stille, Großzügigkeit, Bibel, Gemeinschaft, Dienen und Zeuge sein. Allerdings ist nicht Vollständigkeit das Ziel. Stattdessen soll man sich schrittweise mit dem Thema auseinandersetzen, das der eigenen Situation und Suche gerade am meisten entspricht.

Heute finden zum Beispiel viele Menschen die Übung des Sabbats ganz neu als eine sinnvolle Unterbrechung der pausenlosen Beschallung und Anspannung, der man normalerweise ausgesetzt ist. Sie beginnen mit dem Einüben dieses von Gott gegebenen Rhythmus und tun das in Gemeinschaft mit anderen. Aus diesem neuen Rhythmus erwächst dann der nächste Schritt. Das kann die Wiederentdeckung des Fastens sein oder das Einüben eines regelmäßigen intensiven Gebetslebens oder ein tieferes Einsteigen in biblische Texte.   

Darüber hinaus beschreibt Comer in seinem Buch „Leben vom Meister lernen – Practicing the way“ Jüngerschaft als einen Dreiklang. In Anlehnung an die jüdisch-rabbinische Tradition geht es bei der Nachfolge Jesu darum, bei Jesus zu sein, zu werden wie Jesus und zu tun, was Jesus tat. Geistliche Übungen spielen in diesem Entwurf ebenso eine Rolle wie die Verarbeitung von Schmerz, die Entwicklung einer eigenen persönlichen Lebensregel und vieles mehr. Ziel dieses Prozesses ist weniger, das eigene Verhalten zu optimieren, als vielmehr die Art von Mensch zu werden, der sich automatisch im Sinne Jesu verhält. Es geht um Charakterbildung, um Veränderung in der Tiefe, um die Motivation, die unserem Verhalten zugrunde liegt und aus der es entspringt. Denn Nachfolge Jesu will unseren Charakter formen. Es geht nicht darum, verzweifelt ein Leben lang zu versuchen, nicht mehr so viel zu sündigen, sondern die Art von Mensch zu werden, der nicht mehr sündigen will, weil das Gute in der Tiefe so durchdrungen hat. 

In Deutschland gibt es seit ca. 2 Jahren eine wachsende Initiative, die die Impulse von Comer und Practicing the way aufgreift, in den deutschen Kontext überträgt und Vernetzung anbietet. Und diese Initiative wächst beständig. Mit der US-Amerikanischen Organisation Practicingtheway.org ist im Laufe der vergangenen Monate eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden, sodass nun die ersten konkreten Pläne und Projekte veröffentlicht werden können. 

Anfang Juni fand in der Nähe von Los Angeles der Church formation Incubator statt. Practicing the Way bietet dieses einjähriges Programm Kirchen und Gemeinden an, die sich entschieden haben, Jüngerschaft neu ins Zentrum der gesamten Gemeindearbeit zu stellen. Es war absolut spannend, diese Gemeindeteams kennenzulernen und ihre Ansätze zu entdecken, wie sie heute Jüngerschaft ins Zentrum der Gemeindearbeit stellen. Von der kleinen Gemeindegründung bis zur Megachurch mit mehreren Tausend Besuchern waren sehr unterschiedliche Gemeinden dabei.

Auf dem Willow Creek Leitungskongress 2026 in Dortmund planen wir aktuell ein Live-Interview mit John Mark Comer (zugeschaltet aus Los Angeles) sowie die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung des Einführungskurses.  Darüber hinaus sollen in den kommenden Jahren Kurse für Hauptamtliche entstehen, die für sich selbst neu den Weg der Geistlichen Prägung (Spiritual Formation) entdeckt haben und dies an andere weitergeben wollen – ebenso wie ein schrittweises Übersetzen der verschiedenen Bücher und Materialien. 

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