Tobias und Frauke Teichen leiten das ICF München und sind Mitglieder im Leitungsteam von ICF International. Das Ehepaar gehört zu den Sprechern beim Leitungskongress 2022 in Leipzig. Im Interview sprechen sie über Leitungsaufgaben – und ganz persönliche Erfahrungen.

Tobias und Frauke, neben euren Aufgaben beim ICF München leitet ihr auch das ICF International. Was heißt das?

Tobias Teichen: Zweimal im Jahr treffen wir uns mit allen ICF-Pastorenehepaaren zu einem Trainingday.
Dort reden wir über Leitungsthemen und auch sehr ehrlich darüber, wie es um unsere persönliche Jesusnachfolge steht. Wir sprechen über Themen, die für Leitungspersonen schnell zu Fallstricken werden – nicht erst, wenn eine Krise da ist, sondern schon vorher. Der Trainingday ist für uns unverzichtbar geworden. Ohne das gegenseitige Tragen und Getragen-werden werden Leitungspersonen schnell einsam. Das wirkt sich auf unterschiedliche Lebensbereiche aus – bis hin zur Sexualität. Darüber haben wir letzten Herbst ausführlich gesprochen. Denn eine unerfüllte Sexualität wirkt unterschwellig wie ein Verstärker in anderen Lebensbereichen.

Frauke Teichen: Sexualität hat viel mit Kommunikation zu tun – sie ist eine Form der Kommunikation. Oft
wird aber zu wenig darüber geredet, auch unter Paaren. Deshalb bieten wir für Pastorenpaare und Mitarbeitende in ICF-Gemeinden einmal im Jahr Ehetage an, damit ihre Beziehungen aufblühen. Das hat eine enorme Auswirkung darauf, wie Beziehungen insgesamt gelebt werden – und wie wir eine Gesellschaft mit verändern können.

Welchen Weg habt ihr für eure eigene Beziehung gefunden?

Frauke: Einmal im Jahr treffen wir uns mit unseren Ehe-Coaches und besprechen die Themen, die für uns
dran sind. Darüber hinaus haben wir eine Gruppe von engen Freunden, mit denen wir über persönliche
Dinge reden.

Tobias: Wir tauschen uns auch bei den regelmäßigen Treffen mit den Pastorenehepaaren über persönliche
Dinge aus. Frauen und Männer sind dabei jeweils unter sich..

Beziehungen sind in Gemeinden ein ständiges Thema, das von Hauptamtlichen viel Aufmerksamkeit verlangt. Wie gehst du damit um, Tobias?

Tobias: Als Hauptamtlicher muss man sich von dem Druck befreien, ein Alleskönner zu sein. Ich muss kein ausgewiesener Ehecoach ein. Meine Aufgabe als Leiter ist es, sicherzustellen, dass Menschen Unterstützung erhalten. Wenn ich merke, dass jemand in einer Krise steckt, spreche ich die Person an. Wenn sie keine Idee hat, wie sie die Herausforderung angehen möchte, mache ich konkrete Vorschläge, an wen sie sich wenden kann. Genauso sagen wir unseren Kleingruppenleitern: Ihr müsst keine Experten für alle Lebenslagen sein, sondern ein waches Auge für die Menschen haben. Eure Aufgabe lautet: Vernetzt die Menschen mit denjenigen, die unterstützend an ihre Seite kommen können!

Die Gründung des ICF München hatte ihren Ursprung in einem Besuch beim ICF Zürich. Was ist passiert?

Frauke: Wir hatten den Traum, eine Kirche zu gründen, in der unsere Freunde, die mit Jesus und Kirche nichts anfangen konnten, sich wohlfühlen würden. In Zürich im Gottesdienst spürten wir sofort: So müsste diese Kirche sein! Die Leidenschaft der Mitarbeiter, die vielen Menschen, die Kirche – wieder – attraktiv fanden, das hat uns gepackt. Zugleich haben wir gefragt: Gibt’s irgendwo einen Haken? Das ist doch zu schön, um wahr zu sein! Aber bei genauem Hinsehen war klar: Hier werden die gleichen Inhalte vermittelt, die Kirchen über Jahrhunderte hinweg verkündigt haben. Nur die Form ist für Menschen unserer Generation angelegt.

Und das erleben Menschen auch im ICF München?

Frauke: Adaptiert auf München. Jetzt kommt das Aber: Wir haben eine zeitgemäße Ausdrucksform gefunden, müssen uns aber die Frage, wie wir Glauben heute leben, immer wieder neu stellen. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen. Wir müssen dranbleiben: an den Themen, die Menschen bewegen; an der Form, wie wir sie vermitteln. Und schließlich: Welche Exzellenz und Liebe hat Gott in seine Schöpfung einfließen lassen! Das durch unser Tun widerzuspiegeln, ihm auch unser Bestes zu geben, ist für mich ein großer Ansporn.

Was hat dich angespornt, Tobias?

Tobias: Uns hat von der ersten Minute an die Experimentierfreude und Lernbereitschaft fasziniert, mit der Leo und Susanna Bigger die Gemeinde prägen. Natürlich gehen auch Dinge schief. Entscheidend ist, dass man daraus lernt. Das leben die beiden vor.

Frauke: Wir haben auch entdeckt, wie praktisch der Glaube ist. Dass Gott daran interessiert ist, dass wir
ihn in den letzten Winkel des Alltags einbeziehen, das hat mich ganz neu erreicht.

Experimentierfreude klingt attraktiv – bringt aber sicher auch Konfliktpotenzial mit sich.

Frauke: Als Sozialpädagogin habe ich gelernt: Konflikte sind immer auch Chancen. Dann werde ich herausgefordert: Was hat das mit mir zu tun? Was steckt hinter der Sichtweise anderer? Muss ich meine Position überdenken? Die meisten Dinge in unserem Movement und in unserer Ehe haben sich nur deshalb verändert, weil ein Konfliktpunkt angesprochen wurde, Fragen entstanden sind: Was steckt dahinter? Wie gehen wir künftig damit um? Diese Kommunikation ist das Entscheidende. Dadurch fragen wir immer wieder: Was ist eigentlich ICF München?

Tobias: Lösungsorientierte Kritik ist in unserer Gemeinde immer willkommen. Wir brauchen keine Gemeinde-Polizei. Wir wünschen uns eine Kultur, die sagt: »Mir ist dies oder jenes aufgefallen«; »Habt ihr schon mal darüber nachgedacht?« Wir sind eine konfliktfreudige Kirche, reden direkt und ehrlich miteinander. Da darf es auch mal emotional werden. Wir wollen keine Jasager, sondern mündige Leitende. Wir müssen lernen, mit den fünf Broten und zwei Fischen zu arbeiten, und zu vertrauen, dass Gott daraus etwas Gutes machen kann. Er ist Spezialist darin, auch mit uns Vollpfosten ans Ziel zu kommen.

Frauke: Mir ist aufgefallen, dass Leute, die Probleme entdecken, häufig auch die Begabung mitbringen, die Situation zu verändern. Vor einigen Jahren beklagte sich eine Frau darüber, dass man sie nach dem Gottesdienst nicht wahrnahm. Im Gespräch mit ihr merkte ich, dass sie einen Blick für andere Menschen hat, so dass sie sich wohl und integriert fühlen. Wir baten sie, ein Welcome-Team mit aufzubauen. Das hat sie grandios und mit Verantwortung umgesetzt.

Tobias: Ein gutes Beispiel dafür, dass eine Gabe immer mit einer Aufgabe verbunden ist. Unsere Stärken sollten andere in einer Gemeinde dabei unterstützen, dass er oder sie sich in einem Punkt weiterentwickelt und Schwachpunkte beseitigt werden. Dieses Klima gilt es als Leiter zu schaffen.

Wünscht ihr euch, manchmal, dass die ICF-Bewegung sich schneller entwickelt?

Tobias: Schnelligkeit ist für uns kein Antrieb. Es geht uns darum, wie gesund Gemeinden und ihre Leitenden sind.

Frauke: Mir ist auch völlig gleichgültig, wie groß eine Gemeinde ist. Mir ist wichtig, dass die Menschen darin eine gesunde Beziehung zu Jesus haben.