Seit 13 Jahren ist Glenn Davis festangestellter Bühnendesigner der Willow Creek Gemeinde. Hätte ihm das jemand vor 20 Jahren erzählt, hätte er wohl nur lächelnd den Kopf geschüttelt. Heute kreiert er mit seinem Team Kulissen und Kunstwerke für die Gottesdienste der Megachurch. Exzellenz ist dem gelernten Marketing-Profi zwar wichtig, aber letztendlich »ist es der Heilige Geist, der entscheidet, wie ein Werk aussieht.«
Wir treffen Glenn Davis in seiner Werkstatt. Überall stehen Farbtöpfe; Styroporplatten liegen auf den Arbeitsflächen; Fotos vergangener Bühnenbilder hängen an der Wand; es riecht nach Lack und geschliffenem Holz. Auch wenn man handwerklich untalentiert ist, hier möchte man am liebsten gleich selbst anfangen, herumzubasteln und irgendetwas erschaffen. Der 62-Jährige lächelt uns freundlich zu, rückt seine Brille zurecht und lädt uns an seinen Hochtisch ein, direkt neben einer kleinen Computer-Nische.
Als wir ihn fragen, wie er zu Willow gekommen ist, verrät er, das sei damals reiner ›Zufall‹ gewesen: »Im Jahr 2000 veranstaltete Willow eine Arts-Konferenz, in der man lernte, wie man Kunst in ihrer ganzen Vielfalt – Bühnengestaltung, Musik, Tanz, Video – in den Gottesdienst einbinden kann. Da dachte ich mir: Hey, wenn ich bei Willow für eine Zeit als Ehrenamtlicher in diesem Bereich arbeiten könnte, würde ich vieles lernen, was ich in unserer eigenen Gemeinde einsetzen könnte.« Zu der Zeit besuchte Davis eine kleine Gemeinde, die damit zu kämpfen hatte, neue Gottesdienstbesucher zu gewinnen. Also entschloss sich der Künstler dazu, 18 Wochen am Stück ehrenamtlich für die Willow-Gemeinde zu arbeiten und sein gelerntes Wissen in der eigenen Gemeinde einzusetzen: »Am Anfang hatten wir nicht einmal eine Ahnung davon, wie man ein Gesicht auf der Bühne richtig ausleuchtet, was wirklich wichtig ist für den Gesamteindruck.« Eigentlich war Davis in der Bauentwicklung als selbstständiger Ingenieur tätig und entwickelte moderne Wohnideen bis zur Fertigstellung komplexer Konstruktionen. Seine Projekte gab er in dieser Zeit an einen Kollegen ab, damit er seine volle Aufmerksamkeit der Bühnenkunst widmen konnte. »Das war ein großer Lernprozess für mich«, erzählt Davis, »ich war es gewohnt, mit schweren Materialen zu arbeiten und nun ging es darum, etwas Bewegliches, Agiles mit vielen Details zu entwerfen.« Die Mühe lohnte sich – allein durch das neue Bühnendesign und die unterstützende Wirkung, die das auf die Predigten hatte, wuchs der Gottesdienstbesuch der kleinen Gemeinde in kurzer Zeit um mehr als 120 Personen.
»Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich meine Gaben einmal für die Gemeinde einsetzen kann, aber als ich in dieser Konferenz saß, wusste ich es. Und erst recht hätte ich nie davon geträumt, wirklich mal für Willow zu arbeiten. Denn mein Ziel war es stets, das Gelernte in die kleine Gemeinde zu transferieren. Darüber hinaus habe ich gar nicht gewagt zu denken.« Gott dachte sehr wohl darüber hinaus. 2005 war es soweit – Davis wurde gerufen, Gott hatte größere Pläne für ihn: »Plötzlich fragte mich Willow, ob ich als fester Bühnendesigner bei ihnen arbeiten möchte. Sie sagten, sie brauchen mich.« Typisch Gott. Er meint es gut mit seinen Kindern und hat so viel Besseres für sie im Sinn, als sie es sich je erträumen würden. Davis stimmte zu und ein neuer Lebensabschnitt begann.
Durch Schönheit inspirieren
Das liegt nun dreizehn Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich die Willow Creek-Gemeinde weiterentwickelt, nicht nur in der Anzahl ihrer Gottesdienstbesucher, sondern auch in ihrem Anspruch, wie sie Gottes Botschaft Woche für Woche vermittelt. Deshalb ist es wichtig, die Entstehungsprozesse der Bühnenkulissen gut zu takten. Wenn die Pastoren ein neues Predigtthema entwickeln, lassen sie das Kreativteam einige Wochen vorher wissen, worum es in der neuen Predigtserie geht, damit sie sich um die visuelle Umsetzung kümmern können. Anfangs lautete der Anspruch, das Thema möglichst detailliert in der Gestaltung wiederzugeben, »das führte aber oft zu Spannungen, weil es immer mal spontane Änderungen gab und es dann zeitlich knapp wurde«, erzählt Davis. Also entschied man sich für einen Weg, der beiden Parteien – dem Kreativteam, als auch dem Predigtteam – mehr Freiheit lässt. Die Bühnenbilder entwickelten sich zu etwas Eigenständigem, das die Aussage der Predigt widerspiegeln kann, aber nicht muss. Das Dargestellte wurde abstrakter, aber es blieb für den Betrachter stets inspirierend, erhellend, facettenreich und trug etwas Schönes zum Gesamtbild bei. Genau das möchte Davis bewirken: »Stell dir einen Sonnenuntergang vor mit all seinen wunderschönen Farben – egal, welcher Generation du angehörst, du bist von diesem Anblick sofort fasziniert und er bringt dich weg von deinen Problemen und Sorgen! Genau diesen Anspruch haben wir auch – wir wollen etwas schaffen, das die Menschen fasziniert, ihren Blick erweitert für etwas Schönes, Wohltuendes. Das ist der Punkt, an dem Bühnenkunst etwas von der Schönheit des Lebens in das Leben der Menschen bringen kann.« Vor allem ist Davis davon begeistert, was seine Arbeit in dem Gesamtwerk eines Gottesdienstes mit seinen aufeinander abgestimmten Einzelteilen bedeutet: »Das Wundervolle ist, dass wir mit unserer Kunst Botschaften unterstreichen, zum Beispiel bei der Predigt, die das Leben eines Menschen wirklich verändern können.«
»Gemeinde-Sein ist für Willow nicht nur eine Sache des Hörens, sondern eine Sache aller Sinne.«
Neben den abstrakten Kulissen kreieren Davis’ Leute für die Predigt abgestimmte kleinere Kunstwerke, die in die Gesamtszene eingesetzt und auch in kurzer Zeit produziert werden können. Sobald der Künstler fünf bis sechs Ideen skizziert hat, präsentiert er sie Bill Hybels – oder dem jeweiligen Sprecher –, dem Gottesdienst-Produzenten Paul Johnson und dem technischen Leiter des jeweiligen Gottesdienstes. Diese Präsentation birgt eine Herausforderung: »Wir Kreativen sind visuelle Menschen. Hybels oder andere involvierte Personen, die mitentscheiden, sind das nicht unbedingt.« Es geht also darum, schon die Anfangsideen in einer Art darstellen zu können, die sofort verstanden und erfasst werden kann. Wie das aussieht, fällt von Kulisse zu Kulisse unterschiedlich aus – mal als 3D-Werk in einem Computerprogramm, mal als simple Zeichnung oder, bei komplexeren Konstruktionen, als maßstabsgetreues Modell. Als gelernter Marketing-Profi hat Davis hier einen Vorteil: »Man könnte denken, mein Job habe nun wirklich gar nichts mit Marketing zu tun, aber dem ist ganz und gar nicht so. Wenn ich Hybels meine Ideen zeige, dann muss ich sie ihm ›verkaufen‹ und verständlich machen können. Genau das, was man auch im Marketing ständig tut.« Eine weitere Parallele sei das Branding: »Man sagt, jede Marke sollte ihre Präsenz nach außen, die Gestaltung ihrer Inhalte und deren Erscheinung alle drei Jahre überprüfen oder auffrischen. Das gilt auch für Willow. Unsere Darstellung soll schließlich die Leute ansprechen und nicht langweilen.« Die Gemeinde ist zwar keine Marke oder ein profitgesteuertes Unternehmen, das seine Produkte verkaufen will, aber es ist ein moderner Ort von Gemeinschaft, an dem unterschiedlichste Menschen zusammenkommen. Durch eine ansprechende Erscheinung möchte man sie dort abholen, wo sie gerade sind. Dabei ist nicht nur die Sprache der Predigten wichtig, sondern ebenso äußere Elemente: Räume und jegliche Berührungspunkte, bei denen ein Besucher erkennen kann ›Aha, so sieht Willow also aus.‹ Gemeinde-Sein ist für Willow nicht nur eine Sache des Hörens, sondern eine Sache aller Sinne – somit ist Davis’ Arbeit an dem visuellen Erscheinungsbild eine ganz entscheidende Komponente.
Durch Wertschätzung aufblühen
Nach der ersten Szenen-Sichtung für eine neue Predigtserie geht es auf direktem Weg in die eigentliche Ideenschmiede – zum Kreativteam mit zwei weiteren festangestellten Designern und 65 Ehrenamtlichen. Hier kommen viele Talente zusammen – vom Handwerklichen, der Lichtinstallation über Videoproduktion bis zu Malern, Zeichnern, Klebern, Materialkennern, Zuschneidern, Aufbauern oder Tüftlern ... Diese Phase der Bühnenarbeit ist immer etwas Besonderes für Davis: »Es ist jedes Mal wieder schön zu erleben, dass hier jeder ganz frei seine Meinung äußern kann: ›Also die Idee mag ich besonders gerne, aber hier fehlt mir noch etwas.‹« Das Ergebnis wird für mehrere Wochen die Bühne der Gemeinde schmücken, deswegen sind dem Designer ein reger Austausch und verschiedene Betrachtungsweisen enorm wichtig, ebenso wie die wöchentlich stattfindende Feedback-Runde, in der jeder Gottesdienst bewertet wird. Das ginge natürlich nur in einem geschützten Raum, ohne verletzende Worte: »Wir sind ein Team aus Fachleuten, in dem man sich vertraut, sich gegenseitig auch als Experten wertschätzt und miteinander redet, ohne es als Angriff zu verstehen.« Gleichzeitig ist das Kreativteam eine ganz eigene Gemeinschaft, in der man nicht nur seine Expertise einbringt, sondern vor allem seine Persönlichkeit. Man erzählt sich von Schwierigkeiten im Leben, teilt Erfahrungen und verbringt wertvolle Zeit miteinander. Davis geht es nicht zuerst darum, wie gut jemand hier seinen Dienst erledigt, sondern dass er es gerne tut und sich voll und ganz angenommen fühlt: »Ich habe diese 65 wundervollen Individuen in meinen Händen und fühle mich manchmal wie ihr Pastor«, sagt er mit einem zarten, fürsorglichen Lächeln. Diese Menschen bringen nicht nur Material auf die Bühne, sondern ihre Persönlichkeit, ihre Leidenschaft, ihre Handschrift – selbst wenn man die Mitarbeitenden nicht persönlich sieht, sind sie sehr präsent. Daher ist auch der Zusammenhalt so wichtig, denn er spiegelt sich in dem Ergebnis wider und lässt den Betrachter erkennen, ob etwas in einer unterstützenden Umgebung erschaffen wurde, in der sich jeder frei entfalten und äußern kann.
Durch den Heiligen Geist angerührt
So werden auch einzigartige Geschichten wie diese hier möglich: »Vor etwa drei Jahren hatte ich diese wunderschöne Szenerie entwickelt mit drei gigantisch großen Rosen aus naturbelassenem Material, das wir in unterschiedlichen Farben beleuchteten. Da kam eine Frau zu uns und fragte, wer diese eine Figur auf der Bühne gemacht habe. Alle zeigten auf mich. Da kam die Frau auf mich zu und sagte mir mit Tränen in den Augen: ›Ich wollte, dass Sie wissen, wie viel mir das bedeutet. Ich habe Gott heute Morgen darum gebeten, zu mir zu sprechen, und als ich diese drei wunderschönen Rosen gesehen habe, erkannte ich darin den Heiligen Geist, Jesus und Gott, ich konnte sie wirklich spüren.‹ Zum Schluss erzählte sie mir, dieser Gottesdienst habe ihr Leben verändert. So etwas kommt wirklich häufiger vor. Und es sind diese Momente, die unsere Arbeit so besonders machen.« Es ist auch diese unvorhersehbare Wirkung, die Davis’ Dienst bei Willow von all den anderen Tätigkeiten unterscheidet, die er zuvor in seinem Leben ausgeübt hat. Letztendlich gibt jeder in seinem Team sein Bestes, um den Gemeindebesuchern eine unverwechselbare Botschaft vermitteln zu können. Ihre Kunst sehen jede Woche Tausende von Menschen live auf der Bühne und viele tausend weitere durch die Übertragung der Gottesdienste im Internet. Wenn der Designer selbst sein eigenes Kunstwerk auf der Bühne sieht, gibt es zwei Seiten in ihm. Die eine hat einen kritischen Blick auf das, was sein Team erschaffen hat. »Aber das ist auch gut, denn nur so lernen wir und natürlich habe ich auch den Anspruch, unsere Bühnensets zu optimieren.« Und dann gibt es diesen einen, wichtigen Wechselknopf – und der schaltet die Eigenkritik aus und etwas viel Wichtigeres an: Gottes Lob. »Letztendlich sage ich: Okay Gott, das ist nicht für mein Ego gemacht, sondern für dich. Und es ist so, wie du es für richtig hältst, also ist es perfekt.« Davis legt jedes seiner Kunstwerke in die Hände des Heiligen Geistes. Nur er wisse, was der einzelne Betrachter gerade braucht und welches Bild Gottes Geist gerade in sein Herz senden möchte. Das kann etwas komplett anderes sein als bei seinem Nebenmann oder das, was Davis eigentlich damit ausdrücken wollte. So wie Kunstwerke in einem Museum je nach Betrachter unterschiedlich interpretiert werden, sehen auch die Gottesdienstbesucher ganz individuelle Botschaften in den Bühnenszenen. Doch was sie darin sehen, unterliegt keinem Zufall: »Der Heilige Geist füllt unsere Kunst mit Leben und spricht dadurch zu den Menschen. Das ist der große Unterschied zu einer Kunstausstellung: Wenn du den Heiligen Geist hinter etwas stehen hast, was auf der Bühne ist, dann ist es wirklich kraftvoll.«