Hoffnung und Heilung in einer traumatisierten Welt – Dr. Amy Orr-Ewing

Um schwere Kost geht es am späten Freitagvormittag beim LK24. Dr. Amy Orr-Ewing ist Theologin und Seelsorgerin. In ihrem Impuls spricht sie über Traumata – und die Hoffnung auf Heilung.
Amy erklärt zu Beginn das Spannungsfeld, in dem wir als Christinnen und Christen alle leben: zwischen Gottes wunderbarer Schöpfung und einer Welt voller Katastrophen und persönlichen Schicksalsschlägen, die Menschen traumatisieren können.Zwei Sphären sind zu unterscheiden, in denen wir Traumata erleben können: Zum einen die Kriege und großen Krisen dieser Welt, gerade von jungen Menschen als „Dauerkrise“ empfunden, und zum anderen die persönlichen Schicksalsschläge – beispielsweise sexueller Missbrauch oder der Verlust geliebter Menschen.

 

Was genau ist ein Trauma?

„Ein Ereignis, das außerhalb der normalen, menschlichen Erfahrungswelt liegt“, erklärt Amy. Aus diesen Erfahrungen der Hilflosigkeit, der Wut oder des Zusammenbruchs kann ein Trauma entstehen. „Das Gehirn versucht, Traumata zu verdrängen, aber der Körper vergisst es nicht. Körperliche Veränderungen finden statt. Stress wird in den Muskeln gespeichert.“ Körperliche Reaktionen seien beispielsweise erhöhter Blutdruck, Panikattacken, schnelle Atmung und Schlafstörungen. „Eine traumatisierte Person auf dem Weg der Heilung zu unterstützen, das ist schwierig“, sagt Amy. Sie selbst begleitete ihren Mann dabei, der als Kind missbraucht worden war.

 

Hoffnung finden

Gibt es Hoffnung auf Heilung?„Sinnstiftung“ ist dafür das Schlüsselkonzept, sagt Amy. „Wahre Geschichten“, die in Traumata und Krisen dem Leben wieder einen Sinn geben. Sinnstiftung sei der Prozess, welcher es Menschen ermöglicht, die Vielzahl von Sinneseindrücken im „Erfahrungsstrom“ zu verarbeiten. „Biblische Geschichten sind auf vielen verschiedenen Ebenen wahr.“ Ein Beispiel dafür sei der Bericht der Evangelien über die Kreuzigung Jesu. „Wir haben eine sehr verklärte, theologische Sicht der Kreuzigung“, sagt Amy. „Aber die Evangelisten konzentrierten sich auf die Details des Leidens Jesu.“

 

Hoffnung schenken

Leitende in Kirchen sieht Amy in der Verantwortung: „Wir müssen Orte schaffen, wo traumatisierte Menschen heilen können. Vielleicht hast du kein Trauma erlebt, aber ich bin mir sicher, dass du als Leiter mit Menschen zu tun hast, die Traumata erlebt haben.“ Sie selbst habe 18 Monate lang eine Trauma-Therapie gemacht. Denn: Heilung dauert. „Ich habe gelernt, andere nicht abzuschreiben und Trauma-Überlebende als Helden wahrzunehmen. Wenn du ein Trauma hast, bist du von Gott nicht abgeschrieben. Wer es überwindet, wird stark – und Superkräfte haben.“ Empathie und Kraft solcher „Überlebenden“ sei wichtig für die Arbeit in unseren Kirchen.
Abschließend wendet sich Amy an diejenigen im Saal, die selbst Traumata erlebt haben: „Versuche nicht, dein Trauma zu relativieren. Achte auf deine Bedürfnisse und hole dir die Hilfe, die du brauchst.“