Willow-Gottesdienste sollen sowohl Menschen ansprechen, die den Glauben entdecken wollen, wie auch Christen, die im Glauben wachsen möchten. Über diese Herausforderung ein Gespräch mit Bill Hybels und den Worship-Leitern der Willow-Gemeinde, Matt Lundgren und Aaron Niequist.

Wie können Menschen im Gottesdienst Gott begegnen?

Aaron Niequist: Menschen kommen in ganz unterschiedlicher Verfassung. Deshalb versuche ich sie auf unterschiedlicher Weise direkt mit Gott in Verbindung zu bringen. Ich will dabei nicht alles vorgeben, sondern sie herausfordern: Was möchtest du Gott jetzt sagen? Wir Lobpreisleiter sind eigentlich Vermittler zwischen Mensch und Gott.

Bill Hybels: In einem Gottesdienst haben wir an alle Besucher eine Karte und einen Stift ausgeteilt. Wir forderten sie auf, während eines Musikstücks das aufzuschreiben, was sie Gott am liebsten sagen würden. Anschließend sollten sie es ihm leise vorlesen und so das Beten auf eine andere Weise ausprobieren.

Aaron Niequist: Ich erinnere mich, Bill, dass du sagtest: "Wenn ihr noch nicht regelmäßig mit Gott sprecht, schreibt einfach das auf: Gott, ich weiß nicht, wie ich mit dir reden soll." Leider wird Anbetung oft nur mit Singen gleichgesetzt. Dabei gibt es so viele verschiedene Ausdrucksformen.

Könnt ihr einschätzen, ob etwas im Gottesdienst Menschen angesprochen hat?

Matt Lundgren: Oft hören wir: "Der Gottesdienst war super!" Aussagekräftigere Antworten bekommt man, wenn man nachfragt: "Was genau hat dich angesprochen?" Die Leute fühlen sich meistens in den persönlichen Momenten am tiefsten berührt.

Bill: In einem Gottesdienst hat jemand aus unserem Kreativ-Team auf eine durchsichtige Acrylwand Symbole gemalt, die unsere Sünden symbolisieren. Dann hat er sie mit einem Lösungsmittels entfernt. Man konnte richtig sehen, wie das Lösungsmittel die Farbe aufgelöst hat; das hat das Abwaschen der Sünden ganz deutlich gemacht. Dann habt ihr zu den Besuchern gesagt: Jetzt habt ihr die Gelegenheit, mit Gott über eure Sünden zu sprechen. Stellt euch dabei vor, wie sie durch die Kraft des Gekreuzigten verschwinden. Auf der Leinwand stand in großen Lettern Jesaja 1,18: "Selbst wenn eure Sünden scharlachrot sind, sollen sie schneeweiß werden." Das war sehr eindrücklich.

Sicherlich hat auch mal etwas nicht so gezündet.

Aaron: Meistens lag es daran, dass ich etwas getan oder gesagt habe, das nicht mir entsprach. Dann wurde es unglaubwürdig und unecht, sodass auch die Gottesdienstbesucher sich nicht einklinken konnten.

Bill: Einmal sollten die Besucher etwas aufschreiben und zu einem Kreuz an der Bühne bringen. Wir haben uns völlig verkalkuliert, wie viele Leute das tatsächlich machen. Es gab lange Warteschlangen und es hat extrem viel Zeit gekostet. Dadurch hatte die gute Idee einen Teil ihrer Kraft verloren.

Wie werden Menschen im Gottesdienst innerlich einbezogen?

Matt: Wir fragen uns: Wie können Menschen neu über Altbekanntes nachdenken? Wie können sie sich selbst in neuem Licht sehen, wie können sie etwas neu empfinden? Ich glaube, dass viele Menschen während der Woche weder richtig lachen noch weinen. Sie erleben kaum tiefe Gefühle. Dennoch sind wir als emotionale Wesen geschaffen. Das versuchen wir in den Gottesdiensten zu integrieren, ohne es überzubetonen.

»Anbetung wird oft nur mit Singen gleichgesetzt. Dabei gibt es so viele Ausdrucks-formen.«

Welche Möglichkeiten haben Gemeinden mit geringen Ressourcen?

Matt: Die besten Ideen entstehen, indem man sich austauscht. Sie haben nichts mit Ressourcen zu tun. An einem Adventsgottesdienst hatte eine unserer Sängerinnen zu Beginn der Lobpreiszeit eine einzelne Kerze auf der Bühne angezündet, die dann in Großaufnahme auf der Leinand eingeblendet wurde. Allein der Anblick dieser schlichten Kerze hat dazu beigetragen, dass jeder im Saal innerlich heruntergefahren ist und bei der Sache war.

Was ist der schwierigste Teil des kreativen Prozesses?

Bill: Wenn man mit einem kleinen Team an 52 Sonntagen großartige Gottesdienste gestalten will. Man kann sich ausrechnen, wie viele großartige Ideen nötig sind. Das überfordert jeden. Hinzu kommt, dass Künstler sich schwer tun, ihren kreativen Kreis zu vergrößern. Aber es gibt in jeder Gemeinde viele kreative Menschen, die ihre Ideen gern einbringen würden. Das muss nur organisiert werden. Ich hatte mal Börsenmakler, Hausfrauen, Lehrer und andere eingeladen, um von ihnen Predigthemen und Ideen zu erhalten. Die Kreativität dieser Leute hat mich schier umgehauen. Warum sind die so kreativ? Weil sie das nicht für 52 Sonntage im Jahr machen müssen! Wer Gottesdienste plant, sollte solche Leute hin und wieder einladen, ihnen eine Pizza spendieren und dann Ideen entwickeln.

Aaron: Wir tauschen uns regelmäßig über eigene, persönliche Erlebnisse aus und spinnen diese Fäden als Ideen weiter.

Wie wichtig ist es, den Pastor mit einzubeziehen?

Matt: Wenn der Pastor denkt, dass der erste Teil des Gottesdienstes nur die Aufwärmphase für seine Predigt ist, sind Spannungen vorprogrammiert. Gott kann und will durch jedes Element im Gottesdienst Menschen weiterbringen.

Bill: Die Rolle von Gottesdiensten wird unterschätzt. Sie sind entscheidend, wie es um eine Gemeinde bestellt ist. Wenn im Gottesdienst Gottes Kraft gespürt wird, wenn dort Leben verändert werden, wenn wir entdecken, wie er unter uns wirkt, dann prägt das die gesamte Gemeinde. Es hat Auswirkungen auf alle Arbeitsbereiche.

Wenn Gottesdienste diese Schlüsselrolle haben - kann dann ein Pastor mit jemand besserem seine Zeit verbringen, als mit den Leuten, die dem Gottesdienst die Form geben? Für mich hat dieses Team eine zentrale Rolle. Darum will ich keine flüchtigen Beziehungen zu diesem Team. Wenn ich eine super Predigt halte, die halbe Stunde davor aber oberflächlich war, bringt das keinem was. Oder andersherum: Wenn die Jungs eine intensive Lobpreiszeit gestemmt haben, aber der Gottesdienst durch meine Predigt an Höhe verliert, ist das auch schlecht.

Die besten Gottesdienste sind die, in denen Gott schon am Anfang "loslegen" kann, man auf eine Reise mitgenommen wird, die an einem Höhepunkt endet. Dann unterscheidet man nicht mehr zwischen dem Prediger, dem Lobpreis-, Technik- oder Videoteam.

Wie viel Freiheit gebt ihr dem Lobpreisleiter oder Pastor spontan zu reagieren?

Bill: In den letzten Jahren haben wir versucht, mehr Freiraum zu geben. Dieses Hören auf Gott muss man einüben. Wenn wir die Gottesdienste planen und hörend beten, bitte ich unsere Lobpreisleiter manchmal, ein oder zwei Optionen in der Hinterhand zu haben, weil es passieren könnte, dass wir nicht sofort zur Predigt übergehen. Wenn wir im Gottesdienst diesen Punkt dann tatsächlich erreichen, haben wir Optionen für ein paar Eventualitäten.

Wie wichtig sind konkrete Anleitungen im Gottesdienst?

Bill: Ich habe mal eine kleine Gemeinde besucht, in der eine ältere Dame auf einer verstimmten Orgel ein Lied vortrug. Am Schluss spielte sie noch etwas weiter und deutete an, dass nun jeder die Möglichkeit habe, Gott im Gebet seine Sorgen zu bringen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine Menge Druck. Das brachte ich Gott in dem Moment und spürte anschließend, wie mir die Last abgenommen wurde. Es waren höchstens 35 Leute im Gottesdienst und die Frau war nicht das Supertalent. Aber sie hatte einen Freiraum für dien Heiligen Geist geschaffen. Da war kein Pastor beteiligt. Manchmal müssen wir weniger reden und weniger singen, nur die Rahmenbedingungen schaffen - und dann zur Seite treten, damit Gott wirken kann.

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