Karl Vaters – Sprecher beim Leitungskongress 2024 – hat ein Herz für kleine Gemeinden. Ihr Wert und wichtiger Beitrag sollen neu zur Geltung kommen. Dafür engagiert sich der Pastor auch als Coach. In diesem Beitrag erklärt er den Unterschied zwischen einer Gemeinde, die festhängt, und einer, die strategisch handelt.
Die meisten von uns haben ein Wunschbild der eigenen Gemeinde im Kopf. Vor unserem inneren Auge sehen wir mehr Gottesdienstbesucher, neue Gemeindemitglieder oder ein größeres Gebäude. Sosehr wir es auch leugnen mögen: Wir denken und handeln so, als sei eine größere Gemeinde eine bessere Gemeinde; und wenn sie sich nicht in diese Richtung bewegt, meinen wir, dass sie feststeckt.
Doch bevor wir weitere Energie darauf verwenden, unsere Gemeinde in eine bestimmte Richtung bewegen zu wollen, sollten wir uns eine wichtige Frage stellen: Steckt meine Gemeinde in ihrer Entwicklung fest oder ist sie einfach nur klein? Wenn auch kleine Gemeinden ein unerlässliches Element der Missionsstrategie von Jesus darstellen, sollten wir den Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten kennen.
Klein zu sein heißt nicht unbedingt, dass man feststeckt
Die erste Verantwortung einer Leitungsperson besteht darin, die Realität abzustecken. Dazu gehört, unsere Möglichkeiten und Herausforderungen zu identifizieren und zu beurteilen sowie alternative Wege zu finden, wie wir diese Herausforderungen überwinden können. Probleme müssen nicht zu Ausreden werden. Es ist keine Ausrede zu sagen: »Auf diese Weise geht es nicht.« Zu einer Ausrede wird ein Problem erst, wenn wir sagen: »Auf diese Weise geht es nicht und auch auf keine andere Weise.«
Kleine Gemeinden sind für ihre mangelnden Mittel bekannt, doch wir sollten uns von diesem Mangel nicht bestimmen lassen. Bei innovativer Gemeindearbeit geht es nicht darum, »in« oder »trendsetzend« zu sein. Es geht darum, nach alternativen Wegen zu suchen, wenn die althergebrachten Wege einen nicht mehr weiterbringen. Hat eine Gemeinde beispielsweise kein eigenes Gemeindegebäude, kann man das leicht als ein Problem ansehen. Aber es ist besser, es als Chance zu betrachten. Während andere Gemeinden erst aus ihrem Gebäude herauskommen müssen, um Kontakte zu Menschen am Ort zu knüpfen, hat eine gebäudelose Gemeinde ganz natürlich eine Brücke zu anderen Gruppen, mit denen sie Räumlichkeiten teilt. Also: Woran können wir erkennen, ob eine kleine Gemeinde festhängt oder strategische Wege findet?
Eine Gemeinde hängt fest, wenn sie ...
... ungewollt klein ist
Einige Gemeinden sind klein, weil sie (ich sage es nur ungern) miserabel sind. Sie machen so vieles falsch, da ist es ein Wunder, dass überhaupt noch jemand zum Gottesdienst kommt. Eine Gemeinde fügte ihrem Gebäude einen Anbau hinzu, aber auf eine solche Weise, dass vom Foyer aus zwei prominente Saaltüren von beiden Seiten direkt zur Bühne führten. Die regelmäßigen Gottesdienstbesucher wussten das und machten einen Umweg, um von hinten in den Saal zu treten, aber uninformierte Gäste betraten den Saal oft über die Bühne, teilweise während eines laufenden Gottesdienstes, und mussten feststellen, dass die gesamte Gemeinde sie anstarrte! Auf die Frage, warum diese offensichtliche Fehlkonstruktion nicht berichtigt wurde, lautete die Antwort leider schlichtweg: »Na ja, so oft passiert das nun auch nicht.« Natürlich nicht! Denn wenn es sich herumspricht, dass eine Gemeinde eine derartige Einstellung hat, bleiben die Gäste aus.
Ist Ihre Gemeinde klein, weil sie ihre Fehler nicht berichtigt? Dann handelt sie nicht strategisch und hängt fest.
... durch Ausgrenzung klein ist
Die meisten Gemeinden grenzen Menschen nicht absichtlich aus, auch wenn das ein schwacher Trost für Menschen ist, die sich ausgegrenzt fühlen. Es gibt aber tatsächlich Gemeinden, die Menschen ganz bewusst ausgrenzen. Sie haben eine übertriebene restriktive Theologie und bauschen etwas Nebensächliches zu einem großen Problem auf. Das führen sie dann als Beweis dafür an, dass sie in einem Zeitalter leben, in dem niemand das echte Evangelium hören will, das nur sie predigen.
Ist Ihre Gemeinde klein, weil sie Menschen ausgrenzt? Dann handelt sie nicht strategisch und hängt fest.
... in der Vergangenheit eingefroren ist
Eine Gemeinde muss nicht mit Trendsettern gefüllt sein, um frisch und innovativ zu bleiben. Man kann der Vergangenheit Ehre erweisen und sich gleichzeitig in die Zukunft bewegen. Die meisten schönen alten Kirchengebäude sind heute wenig mehr als Museen. Ich war aber auch schon in einigen gotischen Kathedralen, die mit Menschen aller Altersgruppen und Hintergründen gefüllt waren, Menschen, die erst ein modernes Lobpreislied mit Bandbegleitung sangen, gefolgt von einem traditionellen Kirchenlied mit Begleitung durch eine uralte Kirchenorgel.
Stellt Ihre Gemeinde Traditionen über die Veränderungen, die notwendig werden, um den Missionsbefehl von Jesus zu erfüllen? Dann handelt sie nicht strategisch und hängt fest.
... immer weniger das sie umgebende Umfeld abbildet
Viele Gemeinden, die festhängen, spiegeln ihr Umfeld wider – das heißt ihr Umfeld, wie es war, als die Gemeinde gebaut wurde oder das letzte Mal eine dynamische Phase hatte. Eine strategisch handelnde kleine Gemeinde in einem ethnisch und kulturell vielseitigen Umfeld ist auch eine ethnisch und kulturell vielseitige Gemeinde. Liegt das Durchschnittsalter der Gemeindemitglieder 25 Jahre über dem Durchschnittsalter der Einwohner im Umfeld, dann handelt die Gemeinde nicht strategisch, sondern hängt fest. Eine mit Senioren gefüllte Gemeinde in einer Seniorensiedlung mag den Bedürfnissen ihres Umfelds hingegen genau richtig entsprechen.
Sieht die Demografie Ihrer Gemeinde so aus, wie ihr Umfeld früher einmal ausgesehen hat, statt so, wie es jetzt aussieht? Dann handelt sie nicht strategisch und hängt fest.
»Wie sich herausstellte, blieb meine Gemeinde klein. Also fingen wir an, bewusst klein zu sein.«
Eine Gemeinde ist bewusst und aus strategischen Gründen klein, wenn sie ...
... aus gutem Grund klein ist
Für viele Menschen funktioniert das Kleinsein gut. Selbst viele Megakirchen haben aufgehört, größere Gebäude zubauen und vervielfachen lieber kleinere Veranstaltungsorte. Manche Menschen ziehen einen kleineren Rahmen vor, um Gemeinschaft mit anderen Christen zu haben und sich in der Gemeinde zu engagieren. Das alte Klischee von kleinen Gemeinden mit festgefahrenen Mitgliedern, die gegen Wachstum sind, damit ja alles so bleibt, wie es immer war, entspricht meist nicht der Wirklichkeit. Die neuen Befürworter kleiner Gemeinden sind eher jung und engagiert, besagt eine Studie. Sie suchen nach sinnstiftenden Zielen und Beziehungen, denen sie sich in einem persönlicheren Rahmen widmen können. Sie wünschen sich eine Atempause vom ständigen Kulturlärm. Bei ihnen finden besonders Gemeinden Widerhall, in denen es Ruheorte gibt.
Ist Ihre Gemeinde klein, weil Ihre Zielgruppe Menschen sind, die den persönlichen Rahmen wertschätzen? Dann hängt sie nicht fest, sondern handelt strategisch.
... vorübergehend klein ist
Das ist die Situation, in der sich die meisten Pastoren kleiner Gemeinden ihrer Meinung nach befinden. Das dachte ich lange Zeit auch. Mehr als zwei Jahrzehnte lang in drei verschiedenen Gemeinden dachte ich, der große Wachstumsschub käme gleich um die Ecke. Doch bis zu dieser Ecke war es sehr weit. Wie sich herausstellte, blieb meine Gemeinde klein, also fingen wir an, bewusst klein zu sein. Einige Gemeinden bleiben tatsächlich nur vorübergehend klein. Doch da niemand voraussagen kann, wie lange diese Phase anhält, sollte sich auch so eine Gemeinde daranmachen, eine gute kleine Gemeinde zu sein.
Stecken Sie nicht Ihre ganze Energie ins Wachstum; fördern Sie auch die Gesundheit der Gemeinde! Ist Ihre Gemeinde noch klein, aber gesund? Dann hängt sie nicht fest, sondern handelt strategisch.
... klein ist, um den Aufwand zu reduzieren und ihr Profil zu schärfen
Nachdem ich begonnen hatte, über den Wert kleiner Gemeinden zu schreiben, bekam ich eine Einladung, bei einer Konferenz für Hausgemeindeleiter zu sprechen. Solche Gemeinden sind offensichtlich mit Absicht klein, und diese Leiter hatten genauso viel Leidenschaft dafür, Menschen in die Nachfolge Jesu zu führen und das Reich Gottes voranzubringen, wie andere Gemeindeleiter, die ich kennengelernt habe. Sie waren zwar nicht grundsätzlich gegen herkömmlichere Gemeinden, aber der häusliche Rahmen passte für sie und ihre Mission am besten.
Ist Ihre Gemeinde klein, weil Sie bewusst Strukturen und unnötigen Aufwand reduzieren, und ihr Leben und ihre Botschaft optimieren wollen? Dann hängt sie nicht fest, sondern handelt strategisch.
... klein ist, um besser in eine Gesellschaft eindringen zu können
Große Autos leisten gute Dienste besonders für Menschen, die viel zu transportieren haben. Allerdings haben sie es oftmals schwerer, einen Parkplatz zu finden. Großen Gemeinden ergeht es ähnlich. Sie haben zwar eine »Ladekapazität«, die kleineren Gemeinden fehlt, aber sie sind ungeeignet für Orte, an denen Grundbesitz teuer oder das Einzugsgebiet dünn besiedelt ist. Oder wo christliche Gemeinden verfolgt werden, Krieg herrscht und vieles mehr.
Ist Ihre Gemeinde klein, um eine Kultur zu erreichen, zu der große Gemeinden keinen Zugang finden würden? Dann hängt sie nicht fest, sondern handelt strategisch.
... klein ist durch Veranlagung und Begabung
Ich bin noch nie einem Pastor begegnet, der sich für das Pastorenamt entschied, weil er seine Zeit unbedingt damit verbringen wollte, Geld zu beschaffen, Angestellte zu managen oder sich mit Behörden wegen Baugenehmigungen herumzuschlagen. Die meisten Pastoren gehen in den vollzeitlichen Dienst, weil sie die Herzen von Menschen durch einen persönlichen Hirtendienst berühren wollen. Die meisten Pastoren erreichen ihr Optimum durch die Gaben, die gerade in einer kleinen Gemeinde zur vollen Geltung kommen können.
Wenn Ihre Begabung und Berufung einem Hirtendienst in einem kleinen Rahmen entspricht, dann machen Sie Ihre Sache innerhalb dieses Rahmens gut! Verachten Sie nicht Ihren Platz am Leib Christi oder begehren den Platz eines anderen – oder die Gemeindegröße eines anderen! Erreichen Ihr Dienst und Ihre Gemeinde ihre größte Effektivität für das Reich Gottes in einem kleinen Rahmen? Dann hängen sie nicht fest, sondern handeln strategisch.
Live erleben kannst du Karl Vaters beim Leitungskongress 2024 in Karlsruhe.