Seit 12 Jahren „übersetzen“ wir die Prinzipien von Willow Creek in den Alltag der Evangelischen Landeskirche in Baden (EKiBa). Was haben uns diese Jahre gebracht? Wo sind die Grenzen des Transfers? Wo brauchen wir auch zukünftig Impulse von Willow? 
Das waren die Leitfragen am Runden Tisch „Erfahrungen der Evangelischen Kirche in Baden mit Willow Creek“. Drei Generationen von 15 Theologen und Theologinnen saßen Ende Februar beisammen: Drei Studierende, die im August 2013 mit anderen Kommilitonen am Leadership Summit in der Willow Creek Gemeinde in Chicago teilgenommen hatten; vier von zehn EKiBa-Teilnehmenden beim Summit 2002; weitere Kolleginnen und Kollegen, die eine Lenkungsgruppe „Gemeinde missionarisch entwickeln in der EKiBa“ gebildet hatten; und drei Vertreter der Kirchenleitung.

„Der Leadership Summit 2001 war ein Glücksfall“, erklärte Landesbischof Dr. Ulrich Fischer. „Er traf auf günstige Vorausset­zungen.“ Die Missionssynode der EKD hatte zwei Jahre zuvor erklärt, dass Mission und Evangelisation zum vorrangigen Auftrag der Evangelischen Kirche gehören. Bischof Fischer hatte im Auftrag der EKD und der Evangelischen Landeskirche in Baden am Leitungskongress in Chicago teilgenommen. Auf seine Veranlassung fuhren ein Jahr später zehn Pfarrer/innen und Diakon/innen in unterschiedlichen Schlüssel­positionen der Kirche nach Chicago. Sie kamen mit starken Eindrücken zurück, auch mit dem erklärten Willen, Übersetzungsarbeit zu leisten. Die Begeisterung für die gelebte Überzeugung in Willow Creek: „The local church is the hope of the world“ sollte systematisch bedacht und für den eigenen missionarischen Auftrag fruchtbar gemacht werden. Es geht nicht um eine 1:1-Übertragung von Willow in der Landeskirche. Es geht vielmehr darum zu verstehen, was unser Auftrag ist. Und dabei, welche Impulse von Willow uns inspirieren und motivieren können. Ein systematisches Resümee wurde verfasst. Es stellte die Arbeitsfelder fest, bei denen Anregungen von Willow genutzt werden können.

Führungsverantwortung und Leitungsaufgaben. 

Eingeflossen von Willow sind Anstöße zu „Führungsverantwortung und Leitungsaufgaben wahrnehmen“. Bischof Fischer selbst wurde dadurch angeregt, den badischen Kirchenkompassprozess mit biblischen Leitbildern zu beginnen. Denn sie eröffnen einen Horizont, sie machen Lust zum Aufbrechen, sie lassen sich leiten von den Verheißungen der Bibel. Im Gespräch des Runden Tischs wurde aber auch festgehalten: wir haben bezüglich des Auftrags „Geistlich Leiten“ noch eine große Aufgabe vor uns. Obwohl „Geistlich Leiten“ in der Grundordnung der Landeskirche thematisiert ist, muss das Prinzip erst noch als Thema der Leitungsorgane auf allen Ebenen entdeckt werden.

Gottesdienste mit Menschen ohne Glaubenshintergrund.

Das Resümee hat Impulse aufgenommen wie Gottesdienste für Menschen ohne kirchlichen Hintergrund gestaltet werden: nämlich von diesen Menschen her denken, denen die Formen und Lieder der traditionellen Gottesdienste nicht mehr geläufig sind. Aus Liebe zu ihnen, um ihnen das Evangelium verständlich und die Liebe von Jesus deutlich zu machen, müssen wir uns bemühen alltagsrelevant die großen Taten Gottes zu verkündigen.

Gabenorientiert Mitarbeiten und Gemeinden gabenorientiert entwickeln.

Hier besteht ein weiteres Feld, das seither in unserer Landeskirche bearbeitet wird, immer im Wechsel von praktischen Erfahrungen und reflektierter Praxis. Inzwischen ist das Material „Ich bin dabei“ als Heft für Teilnehmende und als Buch für Mitarbeitende erschienen; verfasst von Dr. Silke Obenauer, theologische Referentin der Abteilung Missionarische Dienste in der Landeskirche und Schuldekan Dr. Andreas Obenauer. Der Anstoß von Willow wurde für die deutsche und landeskirchliche Landschaft weiter entwickelt. Willow hat uns eindrücklich erinnert: Die Gaben, die Gott Menschen schenkt, sollen in der Gemeinde aber auch im gesellschaftlichen Leben gelebt werden. Menschen sollen entdecken, wofür sie brennen und mit welchem Engagement sie sich einbringen wollen. Jede und jeder ist begabt und wird von Gott berufen mit seinen Gaben dem Leben an seinem Platz zu dienen und dadurch den Schöpfer und Geber der Gaben zu ehren.

Promiseland die Arbeit mit Kindern in der Willow-Gemeinde hat die Kinder­gottesdienste angeregt.

Auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der Kinder eingehen und kindgemäß biblische Geschichten entdecken und erspielen. Der Beauftragte für Kindergottesdienst hat sich davon inspirieren lassen. Wahrgenommen haben wir, dass Willow sich auf diesem Gebiet weiterentwickelt hat.

Der ORANGE-Ansatz verknüpft Familie und Kindergottesdienst, die Liebe Gottes und die Liebe der Eltern. Bei uns stößt das auf offene Ohren. Die Spiritualität in der Familie ist als Herausforderung angenommen in unserer Kirche, wird auch unabhängig von Willow im Religionspädagogischen Institut thematisiert. In Kooperation mit der Kinderbibelwoche der AMD fließen wichtige Erfahrungen von Willow-Kongressen ein. Ein Mitglied der Studienreisegruppe 2002 schrieb: „Wir haben tolle Transfers geschafft: Promiseland, gabenorientierte Mitarbeit und Gottesdienste für Interessierte sind durch Buchveröffentlichungen deutschlandweit für Landeskirchen nutzbar gemacht worden.“

Horizonterweiterung für Theologiestudierende.

Die drei Studierenden, die im letzten Sommer Teil einer Willow-Studienreise für Theologiestudierende waren, unter der Leitung von Prof. Michael Herbst (Universität Greifswald) und Prof. Achim Härtner (Theologische Hochschule Reutlingen), haben uns ihre Entdeckungen bei Willow vorgestellt und ihre Wünsche für unsere Landeskirche und ihre Leitungen vorgetragen. Kirche für andere sein. Vision, Mission und Werte entdecken und entwickeln, das grundlegende Anliegen von Willow, damit handlungs­leitende Leitbilder entstehen. Glaube und Dienen, missio­narisch-evangelistischer Auftrag und Diakonie sollen gemeinsam wahrgenommen werden. Wie das in Willow gelebt wird – durch die Kombination von Gemeinde­zen­trum und Care Center – hat die Studierenden begeistert. Der Runde Tisch „Erfahrungen der Evangelischen Kirche in Baden mit Willow Creek“ hat sie für ihre zukünftigen Dienst als Pfarrer und Pfarrerinnen in der EKiBa ermutigt.

In der Evangelischen Landeskirche in Baden sind die Voraussetzungen gegeben, dass Impulse von Willow auch in Zukunft aufgenommen und übersetzt werden, trotz aller Unterschiede beim Taufverständnis. Die Devise von Landesbischof Fischer: „Kapieren nicht kopieren.“ Die Willow-Kongresse haben dabei weiterhin für viele Verantwort­liche in den Gemeinden der badischen Landeskirche einen wichtigen Platz. Sie ermutigen und inspirieren, geben wichtige Anstöße und fordern heraus, missionarische Kirche Jesu Christi zu sein.