Craig Groeschel, Pastor der Life.Church, gab in einem Online-Coaching für das Global Leadership Network praktische Anregungen, wie man als Leitender eine Gemeinde oder Organisation umsichtig durch eine Krise führt:
Eigentlich sollte es in meinem Online-Coaching um die vier Feinde des Wachstums gehen. Der fünfte Feind – COVID-19 – spielte bei der Vorbereitung noch keine Rolle. Wir leben in schwierigen Zeiten. In Zeiten, die so noch niemand erlebt hat. Es gibt keine klaren Antworten, wir bewegen uns sozusagen auf unbekanntem Terrain.
Fast jeder von uns fühlt sich unsicher in Bezug auf die Zukunft und verspürt einen gewissen Druck:
• Viele haben Angst, krank zu werden.
• Viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz.
• Manche sind bereits auf Kurzarbeit oder schon arbeitslos geworden.
• Viele sorgen sich um ihr Unternehmen oder ihre Gemeinde.
• Viele sorgen sich um ihre Angestellten – um deren Familien – um Menschen, die von ihnen abhängig sind
Wie leitet man in Zeiten der Unsicherheit? Wie leitet man, wenn die weitere Entwicklung der Dinge überhaupt nicht abzusehen ist? Wie leitet man in Zeiten der Angst?
Ich möchte hier eine Perspektive aufzeigen, Vorschläge machen und Mut zusprechen.
Die Ausgangslage
Wir befinden uns in einer globalen Krise. Das ist nicht die erste, die die Welt erlebt, und wird auch nicht die letzte sein. Wir werden sie überwinden. Wird das schwierig? Ja. Wird es danach anders sein? Wahrscheinlich schon. Aber auch folgende Gedanken spielen eine Rolle:
• Jede größere Krise schafft unerwartete Probleme.
• Jede große Krise eröffnet aber auch noch nie dagewesene Möglichkeiten.
• Heute stehen wir vor mehr und ganz anderen Problemen als noch vor einem Monat.
• Und auch die Möglichkeiten sind andere als noch vor einem Monat.
Nach 3 Arten von Möglichkeiten sollten wir Ausschau halten:
Praktisch:
• Jetzt haben Sie eine gute „Entschuldigung“ für schon längst fällige Veränderungen.
• Eine Krise verhilft häufig zur Klarheit!
• Vielleicht merken Sie gerade jetzt, dass Sie Ihre Finanzen ordnen, Ballast loswerden, Ihren Fokus verlagern oder ganz neu ausrichten müssen.
Finanziell:
• Vielleicht ergeben sich neue Möglichkeiten für Investitionen oder für das Unternehmen überhaupt.
• Oder Ihnen fällt auf, wo Not oder ein bestimmter Bedarf herrscht, auf den Sie schnell reagieren und damit Gutes bewegen können und geschäftlich oder auch gemeindlich vorankommen.
Missionarisch:
• Viele Menschen, denen es kürzlich noch gut ging, brauchen heute Hilfe. Und dafür entstehen ganz neue Möglichkeiten.
• Pastoren werden eine größere geistliche Offenheit bemerken als noch vor wenigen Wochen. Jetzt lassen sich Menschen erreichen.
• Auch Unternehmen können Not lindern. GM und Tesla stellen Beatmungsgeräte zur Verfügung; Fluglinien nutzen ihre Maschinen für Frachttransporte; Speditionen befördern Lebensmittel und Versorgungsgüter.
• Kirchen stellen ihre Gebäude zur Verfügung, damit Kinder von Pflegepersonal betreut oder Covid-19-Tests durchgeführt werden können.
Wir wollen nicht vergessen: Jede Krise schafft sowohl Probleme wie Möglichkeiten – wobei die meisten Menschen nur die Probleme sehen. Leitende müssen diese Probleme ansprechen und sich ergebende Möglichkeiten nutzen. Klingt selbstverständlich, wird aber oft nicht beherzigt!
Fakt ist: Leitende stürzen sich oft ins Geschehen, ohne das Problem klar benannt zu haben. Dabei ist es wichtig, mal einen Schritt zurückzutreten und proaktiv zu handeln, anstatt immer nur zu reagieren.
Die 4 häufigsten Probleme
Welchen Problemen stehen wir momentan gegenüber? Je nach Land oder Branche wird das unterschiedlich sein, und doch ist manches ähnlich:
1. COVID-19
Wir möchten nicht, dass andere krank werden.
2. Angst und Panik
Wir haben eigentlich zwei Pandemien. Einmal das Virus, aber dann auch die soziale Pandemie, weil zu viele Menschen unnötig Angst und Panik verbreiten.
3. Wirtschaftliche Auswirkungen
Mit den wirtschaftlichen Auswirkungen wächst die Sorge. Als Folge werden wir auch zunehmende Depression und andere psychische Probleme erleben, Drogen-, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Zunahme häuslicher Gewalt, Anstieg der Selbstmordrate … und in wirtschaftlich bereits schwachen Ländern wird sich das noch intensivieren.
4. Öffentliche Wahrnehmung
Ist das Problem klar benannt, kann man einen entsprechenden Plan entwickeln, der auch Akzeptanz findet. In meinem Heimatstaat gab es am Anfang der Krise zwei Corona-Fälle. Wären Zusammenkünfte in dieser Situation noch sicher gewesen? Vermutlich – dabei hätte aber die Außerachtlassung der öffentlichen Wahrnehmung zu einem Problem werden können. Denn wir hätten vermittelt, dass uns die Zusammenkünfte in der Gemeinde wichtiger sind als der Schutz von Menschenleben. Die Botschaft muss lauten: Sicherheit geht vor. Bei den Überlegungen, wann Ihre Gemeinde bzw. Ihre Organisation ihre Arbeit wieder aufnimmt, müssen Sie die Reaktionen Ihres Teams bzw. Umfelds mit in Betracht ziehen.
Prioritäten
4 Ebenen der Priorität:
1. Was ist entscheidend für Mission?
2. Was ist strategisch und wichtig?
3. Was ist wichtig, aber nicht lebensnotwendig?
4. Was liegt außerhalb unserer Kontrolle?
Legen Sie Ihre Ebenen klar fest. Konzentrieren Sie sich nur auf die ersten beiden Ebenen. Mission hat Vorrang. Eventuell sind Sie versucht, zu viele Dinge auf einmal zu tun. Lassen Sie das. Andere haben auch Ideen – und gute noch dazu. Investieren Sie Ihre Energie in die beiden größten Prioritäten im Bereich Mission und planen Sie konkret nur für diese.
Für Ihre Planung sind 2 Dinge entscheidend:
1. Erwarten Sie Fehlschläge.
Es gibt keine Erfolgsgarantie. Vieles wird falsch laufen, denn die Dinge verändern sich zu schnell. Bereiten Sie Ihr Team auf Anpassungen bzw. Veränderungen vor.
2. Denken Sie langfristig, aber planen Sie kurzfristig.
Ich werde oft gefragt: „Wie lange wird das wohl dauern? Ist es in einigen Wochen vorbei?“ Ich weiß es nicht. Ich muss Gemeindeveranstaltungen auf lange Sicht als Online-Angebot planen, denn ich möchte mich lieber angenehm überraschen lassen, als ständig enttäuscht zu werden. Wie lange? Jegliche Vorhersage wäre dumm. Ich plane also langfristig, entscheide aber von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Dinge verändern sich täglich. Entwerfen Sie Worst-Case-Szenarien, aber verbreiten Sie keine Angst.
Wenn Sie Ihrem Team Ihren Plan mitteilen, sind 3 Dinge entscheidend:
1. Seien Sie empathisch.
Die ersten Gedanken Ihrer Teammitglieder werden sich nicht um Ihr Unternehmen, Ihre Organisation oder Ihre Gemeinde drehen. Vielmehr wird sich jeder fragen: „Welche Auswirkungen hat das auf mich? Auf meine Familie?“ Menschen haben verständlicherweise Angst. Und diese Angst müssen Sie ernst nehmen. Helfen Sie Ihrem Team dabei, Gefühle zu erkennen und einzuordnen. Was an Gedanken und Ideen kreist, darf ruhig ausgesprochen werden. Begegnen Sie Mitarbeitenden und Anstellten mit Wertschätzung. Wenn sie sich unverstanden fühlen, werden sie Ihnen nämlich nicht folgen. Machen Sie deutlich, dass Ihre Leute Ihnen wirklich am Herzen liegen.
2. Seien Sie ehrlich.
Sagen Sie die Wahrheit, auch wenn sie negativ, unsicher oder beängstigend ist. Das ist unglaublich wichtig. Ich habe schon viele Leitende sagen hören: „Alles wird gut! Das kommt schnell wieder in Ordnung.“ Jetzt geht es aber nicht um Motivation, sondern um weise Entscheidungen und entschlossene Führung. Seien Sie realistisch und ehrlich und leiten Sie Ihr Team durch die Krise.
Sagen Sie die Wahrheit, auch wenn sie negativ, unsicher oder beängstigend ist. Mit schlechten Nachrichten können Menschen besser umgehen, als mit gar keinen Nachrichten, denn Mangel an Information macht Angst.
Sagen Sie Ihrem Team, dass Sie selbst auch unsicher sind. Das einzige, was Sie ihm versprechen sollten, ist, dass keine Ihrer Entscheidungen unumstößlich ist. Stellen Sie sich – und Ihr Team – auf Korrekturen ein. Sprechen Sie also mit Überzeugung, aber ohne Verbissenheit. Sie sind sicher, dass das Team klug entscheiden wird, denn Sie wissen ja bereits mehr – allerdings nicht genug, um heute schon die genaue Marschroute aufzeigen zu können. Wir machen keine Versprechungen. Wir strahlen Überzeugung und Ruhe aus – wir sind Leitende.
3. Seien Sie konsequent in Ihrer Kommunikation.
Intensivieren Sie Ihre Kommunikation. Dinge ändern sich täglich, manchmal stündlich. Jeden Tag tauchen neue Fragen, Bedenken oder Ängste auf. Normalerweise treffen sich unsere hauptamtlichen Mitarbeiter viermal pro Jahr. Jetzt finden wöchentlich Videokonferenzen statt – manchmal sogar zweimal pro Woche. Normalerweise finden bei uns Gottesdienste nur am Wochenende statt. Inzwischen gibt es aber auch einen Gottesdienst unter der Woche, und unser monatliches Treffen ist in einen wöchentlichen Rhythmus gewechselt. Die Mitarbeiter rufen jedes Gemeindemitglied an und fragen, ob er oder sie etwas braucht. Bleiben Sie erreichbar.
Erklären Sie in jedem Gespräch so oft wie möglich das „Warum“. Wenn nämlich das „Warum“ verstanden wird, ist das „Was“ einfacher umzusetzen! Viele Ihrer Entscheidungen beruhen auf den Informationen, die Ihnen zur Verfügung stehen – die aber Ihr Team vielleicht in diesem Ausmaß noch nicht hat. Darum müssen Sie vor dem „Was“ das „Warum“ erklären.
Auch wenn es selbstverständlich erscheint: Sorgen Sie für sich! Ich hatte seit Wochen keinen freien Tag – das wird vielen von Ihnen ähnlich gehen. Schlafen Sie sich aus. Fahren Sie runter. Lachen Sie. Unternehmen Sie etwas mit Ihren Kindern. Sorgen Sie für sich, damit Sie anderen helfen können.
Das Online-Meeting mit Craig Groeschel kann hier angesehen werden.