Die Verhaltensforscherin Vanessa Van Edwards gab den Teilnehmenden des Global Leadership Summit 2020 folgende Botschaft mit auf den Weg: Du musst nicht als Leitungsperson geboren sein. Zum Leitenden kannst du dich entwickeln.

Van Edwards, Autorin von Die Psychologie der Anziehungskraft, wies auf eine Studie hin, die besagt, dass man bei jeder Begegnung automatisch das Gegenüber aufgrund von zwei Eigenschaften einordnet: Wärme und Kompetenz. Auch Leitende werden von ihren Teammitgliedern daraufhin eingestuft.
„Wärme“ – auf der einen Seite der Skala – steht für Vertrauen. Man fragt bei einer Begegnung unweigerlich: Kann ich meinem Gegenüber vertrauen? Am anderen Ende der Skala steht „Kompetenz“; man fragt zugleich: Kann ich mit dieser Person zusammenarbeiten, besitzt sie das nötige Know-How? In der Mitte der Skala liegt der Idealpunkt, den Leitende anstreben sollten. Je ausgewogener man agiert, desto höher ist die eigene Leitungskompetenz bzw. der Einfluss innerhalb des Teams. Extreme gilt es zu vermeiden: Kompetenz ohne Wärme vermittelt Arroganz und Unnahbarkeit. Wärme ohne Kompetenz vermittelt Beliebigkeit und Unzuverlässigkeit.
Der Priming- oder Kontext-Effekt ist eine Möglichkeit, diesen Idealpunkt zu erreichen. Dabei werden Worte benutzt, um Verhalten, Erwartungen und Gedanken zu prägen - das anderer Menschen ebenso wie das eigene.

Bewusst verfolgte Absichten und positive Ausstrahlung sind entscheidend

Vor jedem Gespräch empfiehlt Van Edwards, sich mit folgender Frage auseinander zu setzen: „Wie soll der/die andere sich vor, während und nach dem Treffen fühlen, was soll er/sie denken?“ Leitende, die ganz bewusst versuchen, eine Ausgewogenheit zwischen Wärme und Kompetenz herzustellen, können die Denkmuster anderer verändern.
So beginnen beispielsweise die meisten Videokonferenzen mit negativen Bemerkungen über schlechtes Wetter, Stress oder berufliche Belastung. Nutzt man aber für eine Videokonferenz (oder auch in einer vorbereitenden E-Mail für dieses Online-Treffen) durch positive Begriffe den Primingeffekt, kann das bei den Teilnehmenden positives Denken auslösen.
Gestikulieren mit den Händen ist eine weitere Primingquelle, auf die das Gehirn viel mehr achtet als auf Worte. Häufige und ausdrucksstarke Gesten vermitteln Vertrauen und verdeutlichen das, was wir meinen. Selbst Kalendereinträge können für Priming genutzt werden, so Van Edwards. Einen Termin „Kreativsitzung“ oder „Impulssitzung“ zu nennen, schafft bei einem selbst sowie bei den Teilnehmenden Vorfreude und positive Energie.
Leitende, die den Primingeffekt nutzen und von anderen das Beste erwarten, setzen diese Menschen auf die Erfolgsspur und sorgen dafür, dass sie sich aufkommenden Situationen gewachsen zeigen. Nach Meinung von Van Edwards können schon kleine Veränderungen große Auswirkungen haben.

Kommunikation in Zeiten der Pandemie

Für Pastoren und Pastorinnen sind Wortwahl und Sprechstil immer wichtig. In diesem Jahr aber, in dem viele Kirchen und Gemeinden erstmals oder verstärkt Online-Veranstaltungen anbieten, gewinnen sie besondere Bedeutung. Van Edwards rät, aus Aussagen keine Fragen zu machen, indem man am Ende des Satzes die Stimme hebt. Sie empfiehlt außerdem, möglichst tief zu sprechen und Spannung in den Stimmbändern zu vermeiden, die die Stimme schnarrend und quakig machen.
Weitere wertvolle Tipps sind: mit der ausströmenden Atemluft sprechen, angemessene Pausen effektiv nutzen und selbst so schnell oder langsam sprechen, wie das Gegenüber normalerweise auch spricht. Bei der Überbringung von schlechten Nachrichten empfiehlt Van Edwards, einen mitfühlenden Ton anzuschlagen, anstatt eines neutralen oder zurückhaltenden.
Selbst ein Profilbild kann Wärme vermitteln, wenn die Hände und ein Lächeln zu sehen sind. Eine E-Mail-Signatur kann durch positive Begriffe aufgewertet werden. Eine Hilfe kann auch sein, Gespräche, die man geführt hat, aufzunehmen, um zu sehen, ob die eigenen Worte eine Ausgewogenheit zwischen Wärme und Kompetenz herstellen.
Trotz Gesichtsmasken, so Van Edwards, ist es möglich, sieben universelle Mikroexpressionen zu erkennen und zu interpretieren, die sich stets in der oberen Gesichtshälfte zeigen. So bewegt ein echtes Lächeln die oberen Gesichtsmuskeln, und auch Wut oder Ekel lassen sich mit Gesichtsmaske eindeutig erkennen.